Leitsatz
1. Die Nutzungswertbesteuerung kann rückwirkend abgewählt werden. Eine Altenteilerwohnung und der dazugehörende Grund und Boden gelten dann zu dem Zeitpunkt als entnommen, bis zu dem der Nutzungswert letztmals angesetzt wurde. Der Entnahmegewinn bleibt außer Ansatz.
2. Nach dem für die rückwirkende Abwahl der Nutzungswertbesteuerung bestimmten Zeitpunkt kann weder eine Nutzungsänderung noch eine Veräußerung der Wohnung und des dazugehörenden Grund und Bodens einen Einfluss auf die Steuerbefreiung haben.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 EStG , § 13 Abs. 4 EStG , § 52 Abs. 15 EStG a.F.
Sachverhalt
Auf der Hofstelle eines verpachteten landwirtschaftlichen Betriebs befand sich u.a. ein Zweifamilienhaus mit zwei gleich großen Wohnungen. Eine Wohnung war vermietet, die andere wurde von einer Altenteilerin genutzt. Seit langem stand den Altenteilern auch ein Hausgarten von 1.220 m² zur Verfügung, der etwas abseits hinter einem Wirtschaftsgebäude lag. Im März 1991 verstarb die Altenteilerin, und die Wohnung wurde fremd vermietet.
Die ESt-Erklärung für 1989 wurde Anfang 1992 abgegeben. Zugleich erklärte der Landwirt, den Nutzungswert der Altenteilerwohnung ab 1.1.1990 nicht mehr versteuern zu wollen. Die Wohnung, das anteilige mit dem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück und der Hausgarten sollten ins Privatvermögen überführt sein. Im Juni 1992 wurde die Betriebsaufgabe erklärt, im Jahr 1993 folgte die Veräußerung der Hausgartenfläche als Bauland.
Das FA behandelte den Vorgang als steuerfreie Abwahl der Nutzungswertbesteuerung für die Wohnung mit der Hälfte der unmittelbar zum Gebäude gehörenden Fläche. Den Hausgarten sah das FA als entnommen an und setzte dafür einen erheblichen Entnahmegewinn an.
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH teilte die Auffassung des FG, dass die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung wirksam rückwirkend erklärt und auch der Hausgarten steuerfrei entnommen worden sei, und wies die Revision des FA zurück.
Hinweis
1. Die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung durch Landwirte in der Zeit von 1987 bis 1998 beschäftigt den BFH noch immer. Landwirte konnten nach § 52 Abs. 15 EStG a.F. von ihnen und von Altenteilern genutzte Wohnungen mit dem dazugehörenden Grund und Boden steuerfrei in ihr Privatvermögen überführen. Näheres zu dieser Rechtslage können Sie z.B. der Anmerkung zum BFH, Urteil vom 11.12.2003, IV R 7/02 entnehmen.
In dem hiesigen Fall ging es vor allem um zwei Fragen im Zusammenhang mit der Abwahl der Nutzungswertbesteuerung:
– Kann man die Nutzungswertbesteuerung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt abwählen, wenn zwischenzeitlich bereits eine Nutzungsänderung eingetreten ist?
– Kann ein abseits gelegener Hausgarten"dazugehörender Grund und Boden" sein?
2. Zur ersten Frage hatte der BFH schon früher entschieden, dass die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung in der Steuererklärung für den 1.1. innerhalb des Wirtschaftsjahrs, für das die Steuererklärung abgegeben wird, vorgenommen werden kann. Die Erklärung gegenüber dem FA wirkt also zurück.
Dies ist insofern eine Besonderheit, als andere Erklärungen gegenüber dem FA meist nur für die Zukunft wirken, wie z.B. die Erklärung der Betriebsaufgabe. Die Übergangszeit von 1987 bis 1998 mit der Möglichkeit zur Abwahl der Nutzungswertbesteuerung ist dem Landwirt aber bewusst zugebilligt worden, um ihm die Nachteile zu ersparen, die eine unmittelbare gesetzliche Zwangsentnahme bereits 1987 bedeutet hätte. Deshalb steht es dem Landwirt frei, den Zeitpunkt für die Abwahl frei zu bestimmen. Spätestens muss er die Erklärung bis zur Bestandskraft der Veranlagung für ein betreffendes Jahr abgeben.
Welche Motive den Landwirt zur Abwahl veranlasst haben, ist ohne Bedeutung. Auch wenn er abwählt, um einen bevorstehenden Veräußerungsgewinn im Betriebsvermögen zu vermeiden, ändert das an der Wahlmöglichkeit nichts. Selbst wenn das Grundstück schon verkauft ist, kann noch abgewählt werden.
3. Die Frage nach dem dazugehörenden Grund und Boden ist mittlerweile ein Klassiker der BFH-Rechtsprechung zu landwirtschaftlichen Einkünften. Einen Hausgarten betrachtet der BFH als zugehörigen Grund und Boden, wenn ein Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der Wohnung vor der Abwahl und auch anschließend bestand. Der Garten muss nicht unmittelbar vor der Haustür liegen, sondern kann sogar durch eine Straße von der Wohnung getrennt sein.
Im Gegensatz zu vielen anderen Fällen war im Besprechungsfall nicht zweifelhaft, dass die Altenteilerin bis zu ihrem Tod die betreffende Fläche als Hausgarten genutzt hatte. Der Nutzungs- und Funktionszusammenhang bestand also auch noch nach der Abwahl, wenngleich er nicht mehr bestand, als die Abwahl rückwirkend erklärt wurde. Dies hält der BFH jedoch nicht für schädlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.11.2003, IV R 41/02