Leitsatz
Langjährige Verluste aus selbstständiger Arbeit lassen bei einem bildenden Künstler, der als solcher sowohl selbstständig als auch nichtselbstständig tätig ist und aus seiner künstlerischen Tätigkeit insgesamt positive Einkünfte erzielt, noch nicht auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht schließen.
Normenkette
§ 18 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein an Hochschulen ausgebildeter Maler und Grafiker. Als solcher war er durchgehend selbstständig tätig; daneben war er über längere Zeiten im Angestelltenverhältnis mit der Durchführung künstlerischer Projekte betraut. Von 1984 bis 1985 betrugen seine Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit rd. 59.800 DM (netto) und aus nichtselbstständiger Tätigkeit rd. 616.000 DM (ohne Arbeitslosengeld). Die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit waren außer im Jahr 1988 stets negativ. Im Streitjahr 1995 betrugen der Verlust aus selbstständiger Arbeit 22.593 DM und die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit 89.561 DM.
Das FA sah in der selbstständigen Tätigkeit eine Liebhaberei und erkannte den Verlust nicht an. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Entscheidung Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Allein wegen langjähriger Verluste bei seiner selbstständigen Tätigkeit könne einem Künstler, der auch nichtselbstständig künstlerisch arbeitet, die Einkunftserzielungsabsicht nicht abgesprochen werden.
Das FG wird die Höhe der Verluste aus selbstständiger Arbeit festzustellen haben und den Ausgleich mit den positiven Einkünften vornehmen müssen.
Hinweis
1. Auch bei der freiberuflichen künstlerischen Tätigkeit sind dauernde Verluste grundsätzlich ein Indiz dafür, dass dem Künstler die Einkunftserzielungsabsicht fehlen könnte. Nach dem vom Großen Senat des BFH entwickelten sog. subjektiven Liebhabereibegriff kann daraus aber nur dann auf eine steuerrechtlich unbeachtliche Liebhabereitätigkeit geschlossen werden, wenn erkennbar ist, dass der Steuerpflichtige die Verlust bringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt.
Bei dieser Prüfung sind alle Umstände des Einzelfalls – insbesondere auch die Eigenart der zu beurteilenden Tätigkeit – zu berücksichtigen. Die Grundsätze, die für land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung gelten (anhand derer die Rechtsprechung die sog. Liebhaberei entwickelt hat), können nicht eins zu eins auf eine künstlerische Tätigkeit übertragen werden. Denn – so der BFH – der Ausübung des Künstlerberufs sind eine planmäßige Betriebsführung, Marktpreise oder eine nachprüfbare Kalkulation nicht wesensmäßig.
2. Der BFH hat eine Reihe von Gesichtspunkten aufgeführt, die wegen der Eigenart des künstlerischen Schaffens in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind:
- Art der künstlerischen Berufsausbildung und Ausbildungsabschluss;
- künstlerische Tätigkeit als alleinige Existenzgrundlage;
- berufstypische professionelle Vermarktung (z.B. Teilnahme an Ausstellungen);
- besondere betriebliche Einrichtungen (z.B. Atelier);
- Erwähnung in einschlägiger Literatur;
- Erzielung gelegentlicher Überschüsse;
- Schaffung von Werken, die für erwerbswirtschaftliche Verwertung bestimmt sind und daher bei entsprechender Nachfrage verkauft werden können.
3. Der Künstler im Besprechungsfall hatte ein Hochschulstudium abgeschlossen. Danach war die selbstständige und nichtselbstständige künstlerische Tätigkeit als Maler und Grafiker seine alleinige Existenzgrundlage. Er hat an über 100 Ausstellungen teilgenommen und wird in einschlägigen Kunstlexika erwähnt.
Aus seiner Gesamttätigkeit hatte der Künstler positive Einkünfte erzielt. Dass er bei der selbstständigen Tätigkeit keinen Totalgewinn erwirtschaftet hat, sah der BFH als eher zufällig an. Die steuerliche Einstufung seiner Einnahmen hing nämlich auch davon ab, ob seine Auftraggeber ihn als selbstständig oder nichtselbstständig Tätigen mit der Durchführung der Projekte beauftragt haben. Auf die Gewinnerzielungsabsicht bei der selbstständigen Tätigkeit hatte dies keinen Einfluss.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.3.2003, XI R 46/01