Leitsatz
Eine in organschaftlicher Zeit gebildete und aufgelöste Kapitalrücklage kann an die Gesellschafter ausgeschüttet werden ("Leg-ein-Hol-zurück"); sie unterliegt nicht der Gewinnabführung (gegen BMF-Schreiben vom 11.10.1990, DB 1990, 2142).
Normenkette
§ 17 Satz 2 Nr. 1 KStG 1991 , § 27 KStG 1991 , § 291 AktG , § 301 AktG , § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie schloss im Streitjahr 1991 mit ihrer Alleingesellschafterin, ebenfalls eine GmbH (B-GmbH), auf unbestimmte Zeit einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV). Der Gesellschafterbeschluss über den EAV wurde nicht notariell beurkundet, ebenso wenig wurde das Bestehen des EAV in das Handelsregister eingetragen. Der EAV wurde zum 31.12.1992 beendet. Das FA erkannte das Organschaftsverhältnis trotz zivilrechtlicher Unwirksamkeit eines EAV und deswegen entgegen dem BGH, Beschluss vom 24.10.1988, II ZB 7/88 (BGHZ 105, 324, DB 1988, 2623), aber unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 31.10.1989 (BStBl I 1989, 430) steuerlich an und rechnete das Einkommen der Klägerin der B-GmbH als Organträgerin zu.
Die B-GmbH leistete im Streitjahr in die Klägerin eine Gesellschaftereinlage und beschloss anschließend am 31.12.1991 außerhalb des EAV die Ausschüttung dieser Einlage zuzüglich des darauf entfallenden Körperschaftsteuerguthabens. Die Klägerin wies einen entsprechenden Überschuss aus, korrigierte diesen um den KSt-Minderungsbetrag und behandelte die Gesellschaftereinlage als sonstige steuerfreie Einlage und als Einkommensminderung.
Das FA folgte dem nicht. Es ging davon aus, dass es sich bei der in vertraglicher Zeit geleisteten Gesellschaftereinlage um eine solche handele, die der Kapitalrücklage im Sinn des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zuzuführen sei und die bei einer späteren Auflösung den nach § 291 Abs. 1 AktG an den Organträger abzuführenden Gewinn erhöhe (vgl. BMF, Schreiben vom 11.10.1990, DB 1990, 2141, und vom 25.7.1994, DB 1994, 1546; OFD Hannover, Verfügung vom 12.8.1994, StRK KStG 1977 § 14 Nr. 22). Ebenso wie ein in vertraglicher Zeit entstandener Gewinn könne die Einlage nicht an den Gesellschafter ausgeschüttet werden, so dass keine Ausschüttungsbelastung gem. §§ 27 ff. KStG herzustellen sei.
Entscheidung
Die nach erfolgreicher Klage erhobene Revision des FA wurde vom BFH zurückgewiesen.
1. Sie widerspreche den körperschaftsteuerrechtlichen Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG nicht. Danach sei das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger u.a. dann zuzurechnen, wenn sich die Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG verpflichte, ihren ganzen Gewinn an ein anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen (§ 17 Satz 1 i.V.m. § 14 Satz 1 einleitender Satzteil KStG).
Der abzuführende Gewinn werde durch einen Höchst- und einen Mindestbetrag begrenzt: Einerseits dürfe die Gewinnabführung gem. § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreiten. Dies sei der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der nach § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen sei (§ 301 Satz 1 AktG); Beträge, die während der Dauer des Vertrags über die Gewinnabführung in andere Gewinnrücklagen eingestellt worden seien, könnten diesen Rücklagen entnommen und als Gewinn abgeführt werden (§ 301 Satz 2 AktG). Andererseits dürften Beträge aus dem Jahresüberschuss gem. § 14 Nr. 5 KStG nur insoweit in die Gewinnrücklagen (§§ 272 Abs. 3 HGB) mit Ausnahme der gesetzlichen Rücklage eingestellt werden, als dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet sei.
2. Im Streitfall habe die Klägerin insoweit in Einklang mit diesen Vorschriften gehandelt, als sie ihren ganzen laufenden Jahresüberschuss an die Organträgerin abführte. Die Kapitalrücklage (i.S.v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB), in die ihre Alleingesellschafterin während des Organschaftsverhältnisses Einlagen vorgenommen habe, um im Weg einer nachfolgenden Ausschüttung bei der Klägerin noch vorhandene Bestände belasteten Eigenkapitals zu "mobilisieren" (sog. Leg-ein-Hol-zurück-Verfahren), habe aufgelöst werden dürfen. Sie sei einer Gewinnrücklage nicht gleichzustellen. Zwar sei dies heftig umstritten.
Der Senat halte den Gesetzeswortlaut aber für eindeutig: Der Jahresüberschuss markiere die Obergrenze der Gewinnabführung in grundsätzlich abschließender Weise. Offene Rücklagen gehörten dazu nicht, weil durch sie der Jahresüberschuss nicht erhöht werde. § 275 Abs. 4 HGB bestimme ausdrücklich, dass Rücklagenauflösungen erst nach der Position "Jahresüberschuss" (Nr. 20 und Nr. 19 der Gewinn- und Verlustrechnung) auszuweisen seien. Unterfielen Rücklagenauflösungen damit einem Abführungsverbot, so mache § 301 Satz 2 AktG davon zwar die besagte Ausnahme für den Fall, dass Beträge während der Dauer des EAV in andere Gewinnrücklagen eingestellt worden seien. Das Gesetz wolle hierdurch einen Anreiz geben, nicht alle in der Vertragszeit angefallenen Gewinne abzuführ...