Leitsatz
Schuldner der EUSt i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG 1993 ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1993 steuerbar, aber gem. § 5 UStG 1993 steuerfrei sind.
Normenkette
§ 3 Abs. 8 UStG 1993, Art. 8 Abs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein in Z (Deutschland) ansässiges Versandhandelsunternehmen (N) ließ kleinere Bestellungen von unter 50 DM aus der Schweiz an seine Kunden senden. Grundlage waren Kataloge der N, nach deren "Lieferbedingungen und Versandbestellung" war Erfüllungsort Z und lieferte die N "in Ihrem Namen und für Ihre Rechnung durch die Deutsche Post AG direkt zu Ihnen nach Hause". Die Lieferungen wurden in Deutschland nach Zwischenstationen von einer Konzerntochter zusammengestellt, mit Rechnung als Aufkleber versehen: "eingeliefert durch N".
Die Klägerin meinte, sie sei nicht Schuldner der EUSt, dies sei der Besteller und außerdem falle keine Schuld an. Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2005, 1479).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision zurück. Die wesentlichen Gründe ergeben die Praxis-Hinweise. Aus den allgemeinen "Lieferbedingungen" ließe sich keine Vollmacht der Besteller zur Einfuhr in deren Namen herleiten. Dass wegen der möglichen – und im Übrigen gar nicht so sicheren – Anwendung der EUSt-Befreiungsverordnung für diese Fälle jedenfalls nach Ansicht der Klägerin keine Steuer anfallen werde, ändert daran nichts.
Der Fall enthält noch eine Reihe von sehr sachverhaltsbezogenen zollrechtlichen Details, die sich dem interessierten Kenner ohne Weiteres aus der Lektüre des Urteils erschließen, für die eigentliche Frage des "Schuldners der EUSt" aber ohne Bedeutung sind.
Zweifelhaft ist insoweit, ob der zollrechtliche Einwand der Klägerin auf die Sonderregelungen für bestimmte Postsendungen in Art. 237 ZKVDVO, bei denen der Empfänger als Anmelder und Zollschuldner gilt, eingreifen würden, denn diese Regelung gilt nach Art 238 ZKDVO nicht für Postsendungen, die zu kommerziellen Zwecken bestimmte Waren enthalten, die Teil einer regelmäßigen Serie sind. Das könnte auch für die streitigen Lieferungen zutreffen. Es kam deshalb auch nicht mehr darauf an, ob die Argumente der Klägerin, die Verlagerung der Kleinbestellungen ins Drittland beruhe allein auf außersteuerlichen Gründen, überzeugend waren. Beides hatte der BFH nicht (mehr) zu entscheiden.
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung betrifft die Frage des Leistungsorts und damit auch – entgegen einer zum Teil in der Literatur vertretenen Auffassung – des Zeitpunkts der Lieferung in Versendungs- und Beförderungsfällen. Nach § 3 Abs. 6 UStG"gilt die Lieferung dort als ausgeführt", wo die Beförderung/Versendung beginnt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten (§ 3 Abs. 7 Satz 3 UStG). Gelangt der "Gegenstand der Lieferung" bei Beförderung oder Versendung aus dem Drittland in das Inland, gilt als Leistungsort das Inland, wenn der Lieferer oder sein beauftragter "Schuldner der EUSt" ist (§ 3 Abs. 8 UStG).
Fraglich war, ob § 3 Abs. 8 UStG auch gilt, wenn wegen einer Befreiung keine Steuerschuld entsteht. Dieser Fall kann eintreten, bei Verbringung von Warensendungen unter einem bestimmten Warenwert (im Besprechungsurteil unter 50 DM) in das Inland. Denn für diese Sachverhalte gibt es eine Einfuhrabgabenbefreiung nachArt. 27 der VO918/83/EWG des Rats über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ZollbefreiungsVO); zugleich handelt es sich um eine nach § 1 Abs. 1 der EUSt-Befreiungs-Verordnung (EUStBV) von der EUSt befreite Einfuhr.
a) "Gegenstand der Lieferung" kann nur sein, was aufgrund eines steuerbaren Umsatzes befördert oder versendet wird; daran fehlt es, wenn z.B. eine Ware zur Probe versendet wird und noch nicht feststeht, ob es zu einem Kauf überhaupt kommt.
b) Wer Schuldner der EUSt ist, ergibt sich durch die Verweisung im UStG aus dem Zollrecht; Schuldner der EUSt ist der Zollschuldner, d.h. der Anmelder der Waren. Der angebliche Stellvertreter, der eine Ware im fremden Namen anmeldet, aber keine Vollmacht hat, ist selbst Zollschuldner.
c) Unerheblich ist für die Bestimmung des Leistungsorts, ob die Einfuhren einfuhrumsatzsteuerfrei sind. Denn Schuldner der EUSt i.S.d. § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1993 steuerbar, aber gem. § 5 UStG 1993 steuerfrei sind.
Dies ergibt sich aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung. Gemeinschaftsrechtliche Grundlage von § 3 Abs. 8 UStG ist Art. 8 Abs. 2 der 6. EG-RL, die im Streitjahr folgende Fassung hatte: "Liegt der Ort, von dem aus der Gegenstand versandt oder befördert wird, in einem Drittlandgebiet, so gelten abweichend von Abs. 1 Buchst. a der Ort der Lieferung, die durch den Importeur i.S.d. Art. 21 Ziffer 2 bewirkt wird, sowie der Ort etwaiger nachfolgender Lieferungen als in dem Mitgliedstaat gelegen, in den die Gegenstände eingeführt werden".
Art. 8 Abs. 2 der 6. EG-RL verwendet den Begriff "Importeur", obwohl in Art. 21 der 6. EG-RL (Steuerpflichtiger) "Steuerschuldner" benutzt wird. Dies bedeute...