Prof. Dr. jur. Tobias Huep
1 Doppelfunktion
Den leitenden Angestellten kommt arbeitsrechtlich eine Sonderstellung zu. Sie sind einerseits Arbeitnehmer, andererseits nehmen sie Arbeitgeberfunktionen wahr und stehen damit der Unternehmens- und/oder der Betriebsleitung so nahe, dass sich hier Interessenkollisionen ergeben können. Darin begründet sich ihre weitgehende rechtliche Sonderbehandlung. Sie treffen gesteigerte Leistungs-, Treue- und Rücksichtnahmepflichten. Die Grundsätze über die Haftungsprivilegierung im Arbeitsrecht sind dennoch anwendbar.
2 Individualarbeitsrecht
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG ist das Arbeitszeitgesetz nicht anzuwenden auf leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nicht für vertretungsberechtigte Organmitglieder juristischer Personen und nicht für Personen, die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung einer Personengesellschaft berufen sind sowie für Personen, die zu selbstständigen Personalentscheidungen berechtigt sind; für sonstige leitende Angestellte gelten geringfügige Abweichungen.
Der Arbeitgeber, der sich vom leitenden Angestellten ohne Vorliegen von Gründen, die die Kündigung sozial rechtfertigen, trennen will, muss im Arbeitsgerichtsprozess die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des leitenden Angestellten behaupten; er wird dann, ohne dass er die Behauptung zu beweisen braucht, unter Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem leitenden Angestellten verurteilt, ihm eine Abfindung zu zahlen.
3 Leitende Angestellte in der Betriebsverfassung
Nach § 5 Abs. 3 BetrVG gilt für sie nicht das Betriebsverfassungsgesetz, soweit dieses Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Neben Generalbevollmächtigten, Prokuristen, deren Vertretungsmacht auch im Verhältnis zum Arbeitgeber "nicht unbedeutend" ist, und zur Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugten Angestellten ist leitender Angestellter i. S. des BetrVG, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben, insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien, sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein. Verbleiben bei der Auslegung dieser Vorschrift noch Zweifel, so ist leitender Angestellter, wer
- aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
- einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
- ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist oder,
- falls auch bei der Anwendung der Nr. 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet.
Nur in Grenzfällen, in denen andere Erkenntnismöglichkeiten nicht weiterführen, kann die Höhe des Verdienstes als Orientierungshilfe dienen.
Die Beispiele für leitende Angestellte:
Bejaht: Leiter der Buchhaltung, der EDV-Organisation, der Fertigungsplanung in größeren Betrieben, Wirtschaftsprüfer als angestellter Prüfungsleiter, Leiter einer Betriebsabteilung mit direktem Gegnerbezug zur Arbeitnehmerschaft und zum Betriebsrat, Leiter des Ausbildungswesens, Chefpilot.
Verneint: Werkmeister, Hauptkassierer, Bilanzbuchhalter, Leiter eines Supermarktes ohne nennenswerte Entscheidungsbefugnisse, Werksarzt, Redakteur, Leiter einer Betriebsabteilung ohne nennenswerte Anordnungsbefugnis im Mitbestimmungsbereich, Titularprokurist, Polier, der selbstständig Hilfskräfte einstellen und entlassen darf.
Die betriebliche Interessenvertretung der leitenden Angestellten findet im Sprecherausschuss und i. Ü. auf Grundlage des Sprecherausschussgesetzes statt.
Sind Wahlen zum Betriebsrat und zum Sprecherausschuss für leitende Angestellte zeitgleich einzuleiten, so sieht § 18a BetrVG ein einheitliches Zuordnungsverfahren für leitende Angestellte vor, in dem bei Nichteinigung ein Vermittler entscheidet, der notfalls durch Los bestimmt wird.
An der Betriebsversammlung nach § 42 BetrVG sind leitende Angestellte nicht schon als Arbeitnehmer teilnahmeberechtigt. Allerdings können sie als Gäste teilnehmen, wenn weder der Arbeitgeber noch der Betriebsrat ihrer Teilnahme widersprechen. Wenn sie dagegen als Vertreter des Arbeitgebers anzusehen sind, so sind sie in dieser Eigenschaft unter den Voraussetzungen des § 43 BetrVG teilnahmeberechtigt.
Der Arbeitgeber ist nicht aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, dem leitenden Angestellten eine Abfindung bei einer Entlassung aufgrund einer Betriebsstilllegung zu zahlen, wenn die übrigen entlassenen Arbeitnehmer aufgrund ein...