Entscheidungsstichwort (Thema)
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Steuerberater. Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters auf sämtliche Kontenblätter zur Finanzbuchhaltung. Kein Zurückbehaltungsrecht. Keine vertraglichen Erfüllungsansprüche
Leitsatz (redaktionell)
- Der Insolvenzverwalter kann vom Gemeinschulder – hier Steuerberater – die Herausgabe der Kontenblätter zur Finanzbuchhaltung verlangen (§§ 667, 675 BGB), da Geschäftsbesorgungsverträge (Steuerberaterverträge) mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach §§ 116, 115 InsO erlöschen.
- Dem Steuerberater steht auch kein Zurückbehaltungsrecht aus § 66 Abs. 4 StBerG zu, weil dieser damit nicht zu den absonderungsberechtigten Gläubigern aus § 51 InsO zählt. Er hat kein insolvenzfestes Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter.
- Die Herausgabe der Kontenblätter ist dringlich, da der insolvenzverwalter das gesamte zur Masse gehörende Vermögen in Besitz aber auch in Verwahrung nehmen und insbesondere die Steuererklärungen für den Gemeinschuldner fertigen muss.
Normenkette
ZPO § 940; BGB §§ 675, 667, 320; InsO § 116 Abs. 1 S. 1, §§ 115, 103, 51, 148 Abs. 1; KO § 49; StBerG § 66 Abs. 4; StBerGebV § 33
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Urteil vom 10.01.2001; Aktenzeichen 21 a C 547/00) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das am 10. Januar 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Senftenberg (21 a C 547/00) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten ist unbegründet.
Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung betreffend die Herausgabe der nur noch im Streit stehenden Kontenblätter ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten bestimmt genug. Für den auf die Herausgabe von Schriftstücken gerichteten Antrag ist ausreichend im Sinne von § 253 ZPO, daß die Schriftstücke individualisierbar beschrieben sind. Es ist nicht erforderlich, die einzelnen Schriftstücke näher zu beschreiben (BGHZ 109, 260, 262). Die Beschreibung: „Sämtliche Kontenblätter zur Finanzbuchhaltung der … insbesondere für das Geschäftsjahr 1999, sowie den Zeitraum Januar bis Juli 2000” reicht zur Individualisierung der von einem Gerichtsvollzieher bei dem Verfügungsbeklagten aufzufindenden Unterlagen.
Die Voraussetzungen für die hier begehrte Leistungsverfügung gemäß § 940 ZPO sind erfüllt. Der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch aus §§ 675, 667 BGB auf Herausgabe der vorgenannten Kontenblätter.
Der Steuerberatervertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 116 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 115 InsO erloschen, ohne das es einer ausdrücklichen Kündigung durch den Kläger bedurfte (vgl. BGHZ 109, 260, 264).
Trotz Beendigung des Vertragsverhältnisses besteht der Anspruch auf Herausgabe aller Sachen, die der Auftragnehmer vom Auftraggeber zur Ausfertigung des Auftrages erhalten hat und die er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, aus § 667 BGB fort. Der Anspruch ist fällig mit der Ausführung des einzelnen Auftrages oder spätestens bei Beendigung des Auftragsverhältnisses, hier durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGHZ a.a.O.).
Der Anspruch auf Herausgabe der Kontenblätter ist auch durchsetzbar, insbesondere besteht kein Zurückbehaltungsrecht aus § 66 Abs. 4 StBerG, § 320 oder § 273 BGB.
Der Verfügungsbeklagte kann sich im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 25.10.1988 (NJW 1989, 1216) berufen.
Zwar können die Kontenblätter als Arbeitsergebnis angesehen werden, ein Zurückbehaltungsrecht besteht aber dennoch nicht, weil sie nicht mehr vertraglich geschuldetes Arbeitsergebnis sind.
Die vom Verfügungskläger begehrten Kontenblättern zur Finanzbuchhaltung für das Geschäftsjahr 1999 und 2000 bis zum Juli 2000 sind entstanden, nach dem der Verfügungsbeklagte die einzelnen Buchungen in den PC eingegeben und die vom Programm zusammengestellten Buchungen auf den jeweiligen Kontenblättern ausdrucken ließ.
Das Insolvenzverfahren wurde am 11.9.2000 eröffnet.
Der Steuerberater erhält gem. § 33 StBerGebV eine Gebühr für die Buchung und Kontierung der Belege. Das Kontieren umfasst die Zuordnung der Belege zu einzelnen Konten, sei es durch Aufschrift des Buchungssatzes auf den Belegen. Eintragung in Buchungslisten oder EDV Erfassung. (Eckert StBerGebV 3.A. § 33 Rz. 3). Zur Leistung i.S.v. § 33 StBerGebV gehört daher die Tätigkeit des Zuordnens. Der Mandant könnte allein aufgrund der Vereinbarung einer Buchung und Kontierung nicht die Herstellung und Herausgabe bestimmter Kontenblätter verlangen, aber in den Kontenblättern ist das Ergebnis der Zuordnung verkörpert.
Dennoch sind die in dem Urteil des BGH vom 25.10.1988 zu Grunde liegenden Erwägungen nicht auf diesen Fall anwendbar. Das vorgenannte Urteil basiert auf ...