Leitsatz (nicht amtlich)

  • Bei Kontenblättern handelt es sich um eigenständige Arbeitsergebnisse des Steuerberaters.
  • Das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB i.V.m. § 66 Abs. 4 StBerG ist nicht insolvenzfest.
  • Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Steuerberater und Mandant erlischt automatisch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ohne dass es einer ausdrücklichen Kündigung durch den Insolvenzverwalter bedarf.
 

Aus den Entscheidungsgründen

Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten ist unbegründet. Der Antrag des Verfügungsbeklagten auf Erlass einer einstweiligen Verfügung betreffend die Herausgabe der nur noch im Streit stehenden Kontenblätter ist zulässig und begründet. Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten bestimmt genug. Für den auf die Herausgabe von Schriftstücken gerichteten Antrag ist ausreichend im Sinne von § 253 ZPO, dass die Schriftstücke individualisierbar beschrieben sind. Es ist nicht erforderlich, die einzelnen Schriftstücke näher zu beschreiben[1]. Die Beschreibung: "Sämtliche Kontenblätter zur Finanzbuchhaltung der…, insbesondere für das Geschäftsjahr 1999, sowie den Zeitraum Januar bis Juli 2000" reicht zur Individualisierung der von einem Gerichtsvollzieher bei dem Verfügungsbeklagten aufzufindenden Unterlagen.

Die Voraussetzungen für die hier begehrte Leistungsverfügung gemäß § 940 ZPO sind erfüllt. Der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch aus §§ 675, 667 BGB auf Herausgabe der vorgenannten Kontenblätter.

Der Steuerberatervertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§116 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 115 InsO erloschen, ohne dass es einer ausdrücklichen Kündigung durch den Kläger bedurfte[2].

Trotz Beendigung des Vertragsverhältnisses besteht der Anspruch auf Herausgabe aller Sachen, die der Auftragnehmer vom Auftraggeber zur Ausfertigung des Auftrages erhalten hat und die er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, aus § 667

BGB fort. Der Anspruch ist fällig mit der Ausführung des einzelnen Auftrags oder spätestens bei Beendigung des Auftragsverhältnisses, hier durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens[3]. Der Anspruch auf Herausgabe der Kontenblätter ist auch durchsetzbar, insbesondere besteht kein Zurückbehaltungsrecht aus § 66 Abs. 4 StBerG, § 320 oder § 273 BGB.

Der Verfügungsbeklagte kann sich im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BGH[4] berufen. Zwar können die Kontenblätter als Arbeitsergebnis angesehen werden, ein Zurückbehaltungsrecht besteht aber dennoch nicht, weil sie nicht mehr vertraglich geschuldetes Arbeitsergebnis sind. Die vom Verfügungskläger begehrten Kontenblätter zur Finanzbuchhaltung für das Geschäftsjahr 1999 und 2000 bis zum Juli 2000 sind entstanden, nachdem der Verfügungsbeklagte die einzelnen Buchungen in den PC eingegeben und die vom Programm zusammengestellten Buchungen auf den jeweiligen Kontenblättern ausdrucken ließ.

Der Steuerberater erhält gemäß § 33 StBGebV eine Gebühr für die Buchung und Kontierung der Belege. Das Kontieren umfasst die Zuordnung der Belege zu den einzelnen Konten, sei es durch Aufschrift des Buchungssatzes auf den Belegen, Eintragung in Buchungslisten oder EDV-Erfassung[5]. Zur Leistung i.S.v. § 33 StBGebV gehört daher die Tätigkeit des Zuordnens. Der Mandant könnte allein aufgrund der Vereinbarung einer Buchung und Kontierung nicht die Herstellung und Herausgabe bestimmter Kontenblätter verlangen, aber in den Kontenblättern ist das Ergebnis der Zuordnung verkörpert.

Dennoch sind die in dem Urteil des BGH vom 25.10.1988[6] zu Grunde liegenden Erwägungen nicht auf diesen Fall anwendbar. Das Urteil basiert auf der Überlegung, dass ein vertragliches Arbeitsergebnis des Steuerberaters, das die Gemeinschuldnerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten benötigte, bereits aufgrund des bestehenden Vertragsverhältnisses geschuldet sei und daher nicht erst im Rahmen der Geschäftsbesorgung im Sinne von § 667 BGB"erlangt" sei. Unabhängig davon, ob dem Konkursverwalter ein Wahlrecht nach § 17 KO zugestanden habe, habe dieser jedenfalls die Erfüllung verweigert und könne dann seinerseits nicht auf Erfüllung des Geschäftsbesorgungsvertrages bestehen[7].

Ohne nähere dogmatische Begründung ist die Auffassung, dass im Insolvenzverfahren des Auftraggebers kein Zurückbehaltungsrecht an den Handakten, jedoch ein Zurückbehaltungsrecht an Arbeitsergebnissen bestehe, in der Literatur übernommen worden[8]. Im vorliegenden Fall besteht jedoch kein vertraglicher Anspruch auf Herausgabe eines Arbeitsergebnisses. Nach der klarstellenden Entscheidung des BGH vom 4.5.1995[9] ergibt sich aus dem die Masse schützenden Zweck des Wahlrechts des Insolvenzverwalters (früher § 17 KO, heute § 103 InsO), dass der gegenseitige Vertrag, der zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht erfüllt ist, durch die Verfahrenseröffnung umgestaltet wird und der Erfüllungsanspruch erlischt. An seine Stelle tritt ein Anspruch auf Schaden...

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