Entscheidungsstichwort (Thema)

Freigabe. Insolvenzverfahren. Erweiterte Freigabe von sicherungshalber abgetretenen Forderungen. Keine Pflicht des Insolvenzverwalters zur Gestattung der Verwertung eines Gegenstands durch den sicherungsnehmenden Gläubiger. Ermessen des Verwalters. Übertragung des Verwertungsrechts auf den Insolvenzverwalter. Feststellungspauschale. Ungerechtfertigte Bereicherung. Pflicht des gesicherten Gläubigers aus dem Verwertungserlös einen Betrag in Höhe der Kosten der Feststellung plus Umsatzsteuer vor seiner eigenen Befriedigung an die Masse abzuführen. Nettoerlös. Preis. Erstattung der Umsatzsteuer, wenn keine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht

 

Leitsatz (redaktionell)

  • § 166 InsO hindert den absonderungsberechtigten Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, den Sicherungsgegenstand aus der Insolvenzmasse herauszuverlangen und ihn der Verwertung zuzuführen und enthält insoweit einen Verwertungsstop.
  • Aus § 170 Abs. 2 InsO ergibt sich mittelbar, dass der Insolvenzverwalter trotz seines Verwertungsrechts grundsätzlich berechtigt ist, die Verwertung des mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands dem gesicherten Gläubiger zu überlassen. Eine Pflicht zur Freigabe oder zur Gestattung der Verwertung besteht nicht, die Entscheidung steht allein im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzverwalters. Dabei hat sich der Verwalter hauptsächlich von wirtschaftlichen Erwägungen leiten zu lassen.
  • Gibt der Insolvenzverwalter global abgetretene Forderungen gegenüber dem absonderungsberechtigten Gläubiger mit der Maßgabe frei, dass dieser die Feststellungspauschale von 4 % (171 Abs. 2 S. 3 InsO) auf ein Anderkonto überweist, muss der Gläubiger die Pauschale vor seiner eigenen Befriedigung, aber erst nach Abschluss der Verwertung der Masse zuführen. Er muss nicht in Vorleistung treten.
  • Auf die Feststellungspauschale wird Umsatzsteuer nur dann erstattet, wenn keine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht. Ist die Masse vorsteuerabzugsberechtigt, ist Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Kostenbeitrags dementsprechend das umsatzsteuerliche Entgelt aus der Lieferung des Gemeinschuldners an einen Erwerber. Ist die Masse nicht vorsteuerabzugsberechtigt, ist Bemessungsgrundlage der Preis für die Lieferung des Gemeinschuldners an den Erwerber.
 

Normenkette

InsO § 166 Abs. 2, § 173 Abs. 1, § 170 Abs. 2, § 171 Abs. 1, 2 S. 3; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Var.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.669,59 DM, welcher auf dem Anderkonto bei der B. Bank AG H., Kontonummer … eingezahlt ist, zurückzuzahlen.

2. Es wird festgestellt, daß die an die Insolvenzmasse abzuführende Feststellungspauschale aus der durch die Klägerin vorgenommenen Verwertung Estrichboy Brinkmann DC 260, Fahrgestellnummer: … 100,00 DM beträgt.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 45 % und die Beklagte 55 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und zwar für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.977,26 DM und für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 711,48 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, einen von ihnen zu erbringende Sicherheitsleistung durch eine unwiderrufliche, selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen deutschen Bank zu erbringen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 12.139,15 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt u.a. die Freigabe an sie sicherheitshalber abgetretener Forderungen.

Die Klägerin stand mit der Gemeinschuldnerin, über deren Vermögen durch Beschluß des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 21.06.1999 (Az.: 59 IN 284/99) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet worden ist, in geschäftlichen Beziehungen.

Zur Sicherung ihrer Ansprüche hat sich die Klägerin mittels Globalzession vom 12.11.1996 von selten der Gemeinschuldnerin deren sämtliche Forderungen gegen alle ihre Kunden sicherheitshalber abtreten lassen. Am 02.08.1996 meldete die Klägerin ihre Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens an. Mit Schreiben vom 06.10.1999 gab die Beklagte die mit Vertrag vom 12.11.1996 global abgetretenen Forderungen gegenüber der Klägerin bis zu einem Betrag in Höhe von 143.741,34 DM mit der Maßgabe frei, daß diese die Feststellungspauschale von 4 % auf ein Anderkonto überweist. Da einem Teil der Forderungen der Gemeinschuldnerin mit dem Ablauf des 31.12.1999 Verjährung drohte, zahlte die Klägerin nach weiteren Verhandlungen der Parteien einen Betrag in Höhe von 6.669,59 DM auf ein von der Beklagten benanntes Anderkonto.

Die Gemeinschuldnerin hatte des weiteren an die Klägerin eine Maschine, Estrichboy Brinkmann DC 260 (Fahrgestellnr.: …) sicherungsübereignet. Diese wurde von der Beklagten an die Klägerin zur abgesonderten Befriedigung herausgegeben, von dieser...

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