Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Fortführen eines Schuldnerbetriebs durch eine Verwalter-GmbH mit Tragen des Unternehmensrisikos durch die GmbH. Schadensersatzanspruch eines Sonderinsolvenzverwalters gegen einen Insolvenzverwalter bei Verletzung von Pflichten bzgl. einer unzulässigen Begleichung von Insolvenzforderungen
Leitsatz (amtlich)
Führt eine Verwalter-GmbH den Schuldnerbetrieb fort, trägt die GmbH künftig das Unternehmensrisiko. Dem Verwalter ist zum Schutz der Gesamtgläubiger verwehrt, der Insolvenzmasse später das Fortführungsrisiko ganz oder teilweise aufzubürden.
Normenkette
InsO § 60 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Sonderinsolvenzverwalter vom Beklagten Schadensersatz, weil dieser seine Pflichten als Insolvenzverwalter verletzt haben soll. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Auf entsprechenden Eigenantrag v. 12.5.1999 hin wurde über das Vermögen der … GmbH durch Beschluss des AG Hamburg v. 1.7.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter bestellt, nachdem er in jenem Verfahren zuvor bereits als vorläufiger Insolvenzverwalter beschäftigt gewesen war. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin, die Wach- und Sicherheitsdienste leistete, wurde mit Zustimmung des Beklagten einstweilen fortgeführt.
Am 13.7.1999 überwies der Beklagte der Firma a.c.t.o.r.…, bei welcher die Schuldnerin eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, einen Betrag von 14.720 DM bzw. 7.526,22 EUR, wodurch die Prämienrückstände für die Versicherungszeiträume 23.12.1997 – 23.12.1998 und 23.12.1998 – 23.12.1999 von jeweils 7.360 DM bzw. 3.763,11 EUR beglichen wurden.
Im Berichtstermin v. 8.10.1999 schlug der Beklagte der Gläubigerversammlung die Gründung einer Auffanggesellschaft vor, die den Kundenstamm sowie die Mitarbeiter der Schuldnerin übernehmen sollte. Dies wurde von der Gläubigerversammlung gebilligt und der Beklagte entsprechend ermächtigt. Daraufhin wurde am 28.12.1999 die Auffanggesellschaft, nämlich die … GmbH, mit einem Stammkapital von 25.000 EUR gegründet. Gründungsgesellschafter waren der Beklagte als Insolvenzverwalter mit einer Stammeinlage von 24.000 EUR sowie Herr F, ein leitender Mitarbeiter der Schuldnerin, und Frau M, eine Gesellschafterin der Schuldnerin, mit einer Stammeinlage von jeweils 500 EUR. Zur „Anschubfinanzierung” erhielt die … GmbH am 25.1.2000 aus der Insolvenzmasse ein Darlehen von 150.000 DM bzw. 76.693,78 EUR.
Am 5.10.2000 berichtete der Beklagte dem Insolvenzgericht, die Auffanggesellschaft arbeite zufriedenstellend; es würden monatliche Gewinne vor Steuern zwischen 8.000 DM und 15.000 DM erzielt. Auch im Bericht des Beklagten v. 2.10.2001 wurden Gewinne der … GmbH angegeben.
Zum 7.5.2001 wurde das Girokonto 829000900 … der Schuldnerin bei der Commerzbank AG, das zum 30.6.1999, dem Tag vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ein Guthaben von 85.977,27 DM bzw. 43.959,48 EUR aufgewiesen hatte, geschlossen und das Guthaben von 64.802,68 EUR auf das Hinterlegungskonto des Beklagten übertragen. Hinsichtlich der Entwicklung der Haben-Salden des Kontos wird auf die Auflistung auf Seite 2 des Schriftsatzes des Klägers v. 20.12.2011 Bezug genommen.
Im Jahr 2002 beauftragte der Beklagte als Mehrheitsgesellschafter der Auffanggesellschaft Herrn … als Vertriebsexperten für Rechnung der Schuldnerin damit, der … GmbH neue Kunden bzw. Aufträge zu vermitteln. Als Vergütung für die Akquisetätigkeit in der Zeit v. Januar 2002 – April 2003 erhielten Herr … bzw. das … Management aus Mitteln der Insolvenzmasse einen Betrag von insgesamt 51.603,52 EUR. Eine Erstattung durch die Leistungsempfängerin, die … GmbH, erfolgte nicht.
Am 11.6.2003 wurde die … GmbH Alleingesellschafterin der … GmbH, wobei sie die Gesellschaftsanteile der Vorgesellschafter zum Preis von 37.500 EUR erwarb und sich zugleich verpflichtete, das aus der Insolvenzmasse gewährte Darlehen samt Zinsen zurückzuzahlen. Daraufhin gingen auf dem Hinterlegungskonto des Beklagten die folgenden Zahlungen ein:
23.7.2003 |
Kaufpreis Gesellschaftsanteile |
37.500,00 EUR |
29.7.2003 |
Rückzahlung Darlehen |
76.693,78 EUR |
29.7.2003 |
Zinsen auf Darlehen |
5.518,15 EUR |
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119.611,93 EUR. |
Davon erhielten die ehemaligen Mitgesellschafter des Beklagten, Herr … und Frau … jeweils 500 EUR, sodass für den Gesellschaftsanteil des Beklagten von 24.000 EUR ein Mehrerlös von 12.500 EUR blieb.
Unter dem 30.4.2008 nahm der Beklagte die Schlussrechnung vor, mit deren Prüfung das Insolvenzgericht den Kläger beauftragte. Dieser wurde nach der Erstattung seines Gutachtens durch Beschluss des AG Hamburg v. 20.5.2008 zum Sonderinsolvenzverwalter bestellt, weil mit Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten gerechnet wurde.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe seinen Pflichten als Insolvenzverwalter nicht vollen Umfangs Genüge geleistet und sich daher schadensersatzpflichtig gemacht. Dazu trägt er vor:
Die Gründung und Förderung der Auffan...