Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Schätzung sind die rechtmäßige Herleitung der Schätzungsbefugnis dem Grunde nach, die sachgerechte Auswahl der für den konkreten Fall geeigneten Schätzungsmethode und deren methodisch und rechnerisch zutreffende Anwendung. Materielle Mängel rechtfertigen, sofern sie nicht unerheblich sind, grundsätzlich eine Schätzung. Zu prüfen ist aber, ob sie sich auf den Bereich der Einnahmenerfassung ausgewirkt und welche betragsmäßige Reichweite sie haben. Formelle Mängel berechtigen nur insoweit zur Schätzung, als sie die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses zweifelhaft erscheinen lassen. Feststellungen des FA zur Gewichtung des Mangels sind erforderlich. Kassenführungsmängel dürften für eine Schätzung nur dann relevant sein, wenn sie sich auf eine gesetzliche Grundlage zurückführen lassen. Hinzuschätzungen können nicht mit einem Verstoß gegen Verwaltungsanweisungen begründet werden. Die gewählte Schätzungsmethode muss im konkreten Einzelfall geeignet sein, ein wirtschaftlich vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Zwischen mehreren gleich geeigneten Methoden kann das FA frei wählen. Ansonsten ist die genauere der ungenaueren Schätzungsmethode vorzuziehen. Zu den genaueren Schätzungsmethoden gehören die Aufschlagskalkulation, die Geldverkehrs- und die Vermögenszuwachsrechnung. Zu den ungenaueren Schätzungsmethoden zählen die griffweise Schätzung, die Richtsatzschätzung und der Zeitreihenvergleich nebst der Quantilsschätzung. Die Ergebnisse der Schätzung sind auf Plausibilität zu prüfen und zu verproben. Eventuell sind Sicherheitsabschläge vorzunehmen. Die Anwendung des Zeitreihenvergleichs scheidet unter Berücksichtigung der Vorgaben des BFH in den meisten Fällen aus. Problematisch beim Zeitreihenvergleich dürfte sein, dass er auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung zu Mehrergebnissen führt. Auch bei der Quantilsschätzung ist nicht dargelegt, dass der von der FinVerw herangezogene Erfahrungssatz, bei 100 gereihten Werten sei der 20-höchste der richtige, zutreffend ist. Dem Stpfl. sind sowohl die Kalkulationsgrundlagen als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, grundsätzlich in elektronischer Form mitzuteilen. Ein Anspruch auf Überlassung der Software der FinVerw dürfte nicht bestehen. Der Stpfl. dürfte im Zeitraum bis zum 1.1.2020 mangels gesetzlicher Grundlage nicht zur technischen Aufrüstung seines Kassensystems verpflichtet sein. Wurden die Programmierprotokolle weder in analoger noch in digitaler Form aufbewahrt, liegt ein formeller Mangel vor. Kann der Stpfl. in diesem Fall darlegen, dass die Kasse entweder nicht manipulierbar ist oder trotz fehlender Dokumentation und denkbarer Änderungsmöglichkeiten tatsächlich keine Manipulationen vorgenommen wurden, kommt eine Schätzung nicht in Betracht. Die Richtsatzschätzung ist nur dann anwendbar, wenn genauere Schätzungsmethoden mangels ausreichenden Datenmaterials ausscheiden. Der Stpfl. muss darlegen, dass sein Betrieb von der Richtsatzsammlung nicht zutreffend abgebildet wird. Die griffweise Schätzung ist nur nachrangig anzuwenden.
(so Wulf/Schüller, Vorgaben des BFH zur Kassenbuchführung und Schätzungsbefugnisse des FA im digitalen Zeitalter, DB 2019, 328)