Dr. Michael Hoheisel, Dr. Michael Tippelhofer
Rn. 230
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Der BFH hat die Umstellung der Besteuerung von Alterseinkünften auf die sog nachgelagerte Besteuerung sowie die beschränkte Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs 3 S 1 u 2 EStG), die weiteren Abzugsbeschränkungen in der Übergangszeit (§ 10 Abs 3 S 4 u 6 EStG) und die Hinzurechnung des nach § 3 Nr 62 EStG steuerfreien ArbG-Anteils (§ 10 Abs 3 S 5 EStG) durch das AltEinkG als verfassungsgemäß angesehen, sofern nicht im konkreten Einzelfall gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen wird (vgl BFH BStBl II 2016, 733; 2010, 414; 2010, 348; 2010, 282; BFH/NV 2016, 1791; 2015, 1369; 2013, 1576; 2010, 412; 2010, 1253; 2009, 278).
Das BVerfG hat diese Sichtweise des BFH bestätigt (vgl BVerfG BStBl II 2016, 310; BVerfG v 14.06.2016, 2 BvR 290/10, BStBl II 2016, 801). Die Verfassungsbeschwerden gegen die vorgenannten Urt des BFH hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG v 14.06.2016, 2 BvR 323/10, BFH/NV 2016, 1421; BVerfG BStBl II 2016, 801; BVerfG v 30.09.2015, 2 BvR 1066/10, FR 2016, 78). Einen Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung hat der BFH bisher jedoch regelmäßig verneint (vgl BFH BStBl II 2011, 591; 2009, 710; BFH/NV 2009, 278; 2011, 2082). Die Feststellungslast für eine Doppelbesteuerung liegt beim StPfl (BFH BFH/NV 2016, 1791).
Rn. 231
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Das BVerfG hat den Begriff der "doppelten Besteuerung" weder begrifflich noch rechnerisch konkretisiert. Einigkeit besteht darüber, dass als Ausgangspunkt bei der rechnerischen Überprüfung, ob eine doppelte Besteuerung vorliegt, entsprechend der steuerlichen Grundsystematik vom Nominalwertprinzip ausgegangen werden muss und keine Barwertbetrachtung vorzunehmen ist (BFH BStBl II 2009, 710; BFH/NV 2010, 1253; 2014, 1367). Bei der Überprüfung des Verbots der Doppelbesteuerung sind den aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen nicht nur die von dem StPfl bereits bezogenen, sondern auch die entsprechend der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartenden, nicht der Besteuerung unterliegenden Rentenzahlungen gegenüber zu stellen (BFH BStBl II 2009, 710; BFH/NV 2010, 1253; 2015, 1369).
Wie im Einzelnen die Doppelbesteuerung zu ermitteln ist, ist vom BFH allerdings noch nicht abschließend geklärt (vgl BFH BStBl II 2009, 710; BFH/NV 2010, 1253). Vor allem ist noch offen, inwieweit bei der Berechnung der steuerlichen Belastung der Rentenzahlungen der Grundfreibetrag, der nicht nur die Steuerfreistellung einer einzelnen Steuerart bezweckt, sondern – verfassungsrechtlich nicht disponibel – der steuerlichen Verschonung des allg Existenzminimums dient, sowie andere Pauschbeträge oder SA-Abzüge ebenfalls in die Berechnung mit einzubeziehen sind (vgl BVerfG v 30.09.2015, 2 BvR 1066/10, FR 2016, 78; BFH BStBl II 2009, 710). Für den SA-Abzug von Vorsorgeaufwendungen sowie für den Vorwegabzug des § 10 Abs 3 EStG aF ist geklärt, dass eine Aufspaltung der Beiträge anhand der Beitragssätze für die als gleichrangig anzusehenden Zweige der Sozialversicherung vorzunehmen ist. Unklar ist allerdings noch, ob in die Aufteilung auch die geleisteten Beiträge zu Haftpflicht-, Unfall- und Lebensversicherungen einbezogen werden können (vgl BFH BStBl II 2009, 710).
Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes zum AltEinkG wird bei der Berechnung der steuerlichen Belastung einer Rentenzahlung eine doppelte Besteuerung vermieden, wenn Rentenzahlungen in einem Umfang steuerunbelastet zufließen, der mindestens dem Umfang der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge entspricht. Entscheidend ist damit für den Gesetzgeber die Höhe des steuerunbelasteten Zuflusses (vgl BT-Drucks 15/2150, 23). Im Unterschied dazu wird nach Auffassung der Rürup-Sachverständigenkommission und ihr folgend ein Teil der Literatur eine Doppelbesteuerung nur dann vermieden, wenn der nicht in die Bemessungsgrundlage eingehende Rentenzufluss mindestens so hoch ist, wie der aus versteuertem Einkommen geleistete Rentenbeitrag oder anders ausgedrückt: Eine Doppelbesteuerung liegt dann vor, wenn und soweit der Rückfluss aus versteuertem Einkommen geleisteten Rentenbeiträgen während der Rentenbezugsphase in die Bemessungsgrundlage der ESt einbezogen wird (vgl H/H/R, § 10 EStG Rz 341). Danach ist eine unberechtigte Doppelbesteuerung nicht gegeben, wenn die steuerfreien Einnahmen die nicht abgesetzten Beiträge übersteigen (Weber-Grellet in Schmidt, § 22 EStG Rz 90; vgl auch Levedag, NWB 2009, 1330).
Rn. 232
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Verfahrensrechtlich kann ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung erst in der Phase gerügt werden, in der die Versorgungsbezüge der Besteuerung unterworfen werden, nicht jedoch in der aktiven Erwerbsphase, in der der StPfl mit Altersvorsorgeaufwendungen belastet ist (BVerfG v 14.06.2016, 2 BvR 323/10, BFH/NV 2016, 1421; BVerfG BVerfGE 120, 169; BFH BStBl II 2010, 348; 2010, 414; BFH/NV 2010, 421).
Die Verfassungsmäßigkeit der nur beschränkten Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwe...