Rn. 41
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
§ 11 Abs 1 S 1 EStG setzt grundsätzlich einen Zufluss beim StPfl persönlich voraus, dieser muss in seiner Person, nicht aber notwendig persönlich, die Verfügungsmacht erlangen. Das ist bei einer Einnahme der Fall, welche in den unmittelbaren Verfügungsbereich des StPfl gelangt. Erfolgt die Zahlung an einen Dritten, ist ein Zufluss beim StPfl dann gegeben, wenn dieser dadurch wirtschaftlich die Verfügungsmacht erlangt. Dies ist dann der Fall , wenn der StPfl den Dritten zur Entgegennahme der Leistung ermächtigt hat, BFH vom 01.10.1993, III R 32/92, BStBl II 1994, 179; BFH vom 24.01.1989, VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419; BFH vom 10.12.1984, VIII R 15/83, BStBl II 1986, 342, sowie bei der Entgegennahme durch einen gesetzlichen Vertreter (zB Testamentsvollstrecker, BFH vom 24.01.1996, X R 14/94, BStBl II 1996, 287; BFH vom 24.03.1992, VIII R 51/89, BStBl II 1992, 941; BFH vom 24.01.1989, VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419; Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 29 (August 2022)). Der Zufluss erfolgt mit der Entgegennahme der Einnahme durch den bevollmächtigten Dritten, einer Weiterleitung der Einnahme in die Verfügungsmacht des StPfl bedarf es hingegen für den Zufluss bei Letzterem nicht.
Lässt ein Arzt Honorare von Privatpatienten durch eine privatärztliche Verrechnungsstelle einziehen, sind diese Honorare ihm deshalb bereits mit dem Eingang bei der Verrechnungsstelle zugeflossen, R 11 EStR 2012; vgl dazu BFH vom 02.02.2009, VIII B 206/08, BFH/NV 2009, 918. Eine Unterschlagung durch den Bevollmächtigten hindert den Zufluss beim Berechtigten somit nicht, FG Ha vom 02.06.2006, 6 K 430/03; FG BdW vom 30.01.2012, 10 K 5492/08, EFG 2013, 435; Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 29 (August 2022).
Rn. 42
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Ein Zufluss beim StPfl liegt auch dann vor, wenn der Schuldner die Leistung nicht an den StPfl persönlich, sondern stattdessen auf Geheiß des StPfl, vgl dazu BFH vom 12.04.2007, VI R 6/02, BStBl II 2007, 581, oder aufgrund einer anderen rechtlichen Grundlage, zB § 835 ZPO, an einen Gläubiger des StPfl erbringt. In diesem Fall tilgt der Dritte nicht nur seine eigene Verbindlichkeit gegenüber seinem Gläubiger, sondern – im abgekürzten Zahlungsweg – zugleich eine Verbindlichkeit des StPfl gegenüber dessen Gläubiger, BFH vom 24.03.1992, VIII R 51/89, BStBl II 1992, 941; BFH vom 23.04.1996, VIII R 30/93, BFH/NV BFH/R 1996, 364; Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 30 (August 2022). Leistet der Schuldner auf ein Notaranderkonto, erfolgt ein Zufluss beim stpfl Gläubiger soweit Auszahlungsreife vorliegt, BFH vom 30.01.1986, IV R 125/83, BStBl II 1986, 404.
Leistet der Schuldner an einen von mehreren Gesamtgläubigern, erfolgt dadurch bereits ein – anteiliger – Zufluss bei allen Gesamtgläubigern, wenn der Ausgleich im Innenverhältnis sichergestellt ist, BFH vom 10.12.1985, VIII R 15/83, BStBl II 1986, 342. Soweit ein Treuhänder im Rahmen seines Treuhandverhältnisses tätig geworden ist, sind Zahlungen, die an ihn erfolgen, beim Treugeber als Zufluss zu erfassen, BFH vom 30.01.1986, IV R 125/83, BStBl II 1986, 404. Bei einer über die GEMA gezahlte Vergütung erfolgt der Zufluss erst bei der Auszahlung an den Künstler bzw an den Urheber, BFH vom 27.06.1963, IV 111/59 U, BStBl III 1963, 534.
Rn. 43
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Hat der Schuldner aus mehreren Schuldverhältnissen gleichartige Leistungen zu erbringen, steht ihm nach § 366 Abs 1 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht zu, an welches auch das Steuerecht gebunden ist, BFH vom 10.06.1975, VIII R 71/71, BStBl II 1975, 847; BFH vom 27.01.1977, IV R 46/76, BStBl II 1997, 755; vgl OLG Köln vom 03.12.2015, 3 U 15 715: nachträgliche Tilgungsbestimmung bei Hinnahme von Anrechnungserklärung durch den Schuldner. Ist der Schuldner nur zu einer Teilleistung in der Lage, wird bei einer Forderung im PV abweichend von § 367 Abs 1 BGB angenommen, dass zunächst eine – steuerlich irrelevante – Rückzahlung des Kapitals erfolgt und darüber hinaus Zinszahlungen erfolgen, RFH vom 16.09.1936, VI A 678/36, RStBl I 1937, 8.
Rn. 44
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Der Abfluss beim Leistenden und der Zufluss beim Leistungsempfänger können zeitlich – auch in unterschiedliche VZ – auseinanderfallen, wenn auch häufig die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht beim Leistungsempfänger mit dem Verlust der Verfügungsmacht beim Leistungserbringer zeitlich übereinstimmen wird. Dies folgt daraus, dass hinsichtlich des Abflusses beim Leistenden der Zeitpunkt der Leistungshandlung, hinsichtlich des Zuflusses beim Empfänger hingegen auf den Zeitpunkt der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht abzustellen ist. Der Abfluss muss spätestens im Zeitpunkt des Zuflusses gegeben sein, da die wirtschaftliche Verfügungsmacht nicht zum gleichen Zeitpunkt beim Leistenden und beim Leistungsempfänger liegen kann.
Rn. 45
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Ergeben sich aufgrund der Zusammenballung von Einnahmen oder von Ausgaben in einem VZ negative Auswirkungen b...