Rn. 1
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Zu- und Abfluss können auch durch die Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner bewirkt werden, dass der Schuldner den Betrag künftig aus einem anderen Rechtsgrund schuldet (Novation/Schuldumschaffung). Mit dieser Vereinbarung verfügt der Gläubiger in Ausübung seiner wirtschaftlichen Verfügungsmacht über seine Forderung, BFH vom 22.07.1997, VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755; BFH vom 11.02.2014, VIII R 25/12, BStBl II 2014, 461. Steuerlich ist die Vereinbarung als Begleichung der Altschuld und die Begründung einer neuen Zahlungsverpflichtung im abgekürzten Zahlungsweg zu werten, BFH vom 14.02.1984, VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480; Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 109 (August 2022). Unabhängig von einem Buchungsakt des Schuldners erfolgt der Zufluss beim Gläubiger in dem Zeitpunkt, in dem er aufgrund eines freien Entschlusses, vgl dazu Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 109 (August 2022), über die Altforderung verfügt.
Besteht ein alleiniges oder überwiegendes Interesse des Gläubigers an der Schuldumschaffung, spricht dies für seine Verfügungsmacht, BFH vom 29.08.2012, X B 19/12, BFH/NV 2013, 405; anders hingegen, wenn eine Verzögerung der Auszahlung, wie zB bei der Miete oder dem Gehaltsanspruch, ungewöhnlich oder unüblich ist, BFH vom 02.09.1994, VI R 35/94, BFH/NV 1995, 208. Auch bei annähernd gleichwertigen Interessen von Gläubiger und Schuldner ist eine Schuldumschaffung nicht ausgeschlossen, BFH vom 07.12.1999, VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825; BFH vom 24.06.2003, IX B 227/02, BFH/NV 2003, 1327. Sind die Modalitäten der Auszahlung hingegen bereits vorab vereinbart, ist der Interessenlage geringere Bedeutung beizumessen, BFH vom 24.03.1993, X R 55/91, BStBl II 1993, 499.
Möglich ist auch eine im Voraus vereinbarte Schuldumschaffung, welche eine Vorausverfügung über den Anspruch beinhaltet, BFH vom 22.07.1997, VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755. Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass für den Gläubiger bei Vertragsabschluss die Möglichkeit bestanden hat, sich frei zwischen der Auszahlung und der Wiederanlage der Jahresdividende zu entscheiden, BFH vom 30.11.2010, VIII R 40/08, BFH/NV 2011, 592.
Keine Schuldumschaffung, sondern allenfalls eine Stundung, ist hingegen dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung gegen Einmalzahlung vor dem Laufzeitende den Verzicht auf vertraglich vereinbarte Teilauszahlungsansprüche erklärt, BFH vom 16.09.2014, VIII R 15/13, BStBl II 2015, 468. Erfolgt die Änderung eines Lebensversicherungsvertrages vor Fälligkeit der vertragsgemäß geschuldeten Versicherungsleistung unter (neuer) Vereinbarung eines späteren einheitlichen Fälligkeitszeitpunkts für die dem StPfl als Versicherungsnehmer zustehenden Zinsen (auch hinsichtlich des Zeitraums vor Änderung des Vertrages), entsteht die Zahlungspflicht des Versicherungsunternehmens erst zu diesem Zeitpunkt; Zinsen fließen dem StPfl erst mit dem tatsächlichen Eingang der Zahlungen zu; hinsichtlich der Änderungen liegt in ertragsteuerlicher Hinsicht ein neuer Vertrag vor, BFH vom 27.09.2016, VIII R 66/13, BStBl II 2017, 626. Auch das einseitige Stehenlassen einer Forderung ist mangels Vereinbarung kein Fall der Novation, BFH vom 20.10.2015, VIII R 40/13, BStBl II 2016, 342.
Rn. 2
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Der Zufluss von (Schein-)Renditen bei einem Schneeballsystem setzt bei einer Novation nicht voraus, dass der Anlagebetrüger tatsächlich leistungswillig ist, BFH vom 28.10.2008, VIII R 36/04, BStBl II 2009, 190; BFH vom 11.02.2014, VIII R 25/12, BStBl II 2014, 461; BFH vom 27.08.2014, VIII R 41/13, BFH/NV 2015, 187, ausführlich dazu und zur Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Schuldners s § 11 Rn 22a, 101 (Pust). S "Novation".
Der tatsächlich eingetretene Zufluss entfällt nicht dadurch, dass die im Wege der Novation wieder angelegten Renditen später infolge der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausfallen, BFH vom 27.03.3019, I R 33/16, BFH/NV 2020, 201; dies betrifft die steuerrechtlich irrelevante Vermögenssphäre, BFH vom 22.07.1997, VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755.
Rn. 3
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Nach Auffassung der OFD Rheinland vom 06.09.2010, Kurzinformation ESt Nr 37/2010, DStR 2011, 176 sind bei Anlagen, die als stille Beteiligung zu qualifizieren sind, bei den Anlegern in Höhe der stehen gebliebenen Scheingutschriften, die im Jahr der Insolvenz des Schuldners nicht ausgezahlt worden sind, in gleicher Höhe aus Billigkeitsgründen negative Einnahmen zu berücksichtigen.
Rn. 4
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Die auf Betreiben des Insolvenzverwalter erfolgte Rückzahlung von ausgezahlten und versteuerten Scheinrenditen, vgl dazu BGH vom 11.12.2008, IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137, führt zu negativen Einnahmen; allgemein zum Abfluss bei Novation BFH vom 06.04.2000, IV R 56/99, BFH/NV 2000, 1191; zu Verrechnungsvereinbarungen vgl BFH vom 24.06.2003, IX B 227/02, BFH/NV 2003, 1327; BFH vom 30.11.2010, VIII R 40/08, BFH/NV 2011, 592.