1. Durchbrechung des Zuflussprinzips
Rn. 56
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Das allgemeine Zuflussprinzip des § 11 Abs 1 S 1 EStG ist nach § 11 Abs 1 S 2 EStG bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen durchbrochen, sofern die in § 11 Abs 1 S 2 EStG genannten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Es handelt sich um eine eng begrenzte Ausnahmeregelung, vgl BFH vom 09.05.1974, VI R 161/72, BStBl II 1974, 547, die regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen, die dem StPfl kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kj zugeflossen sind, sind dem Kj zuordnet, zu dem sie wirtschaftlich gehören. IRd nach § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG durchzuführenden – monatsbezogenen – Vergleichsrechnung gilt § 11 Abs 1 S 2 EStG entsprechend für die Erfassung monatlich wiederkehrender Einkünfte, BFH vom 11.04.2013, III R 35/11, BStBl II 2013, 1037; auf sonstige Bezüge iSd § 38a Abs 1 S 3 EStG ist § 11 Abs 1 S 2 EStG hingegen nicht anwendbar, BFH vom 24.08.2017, VI R 58/15, BStBl II 2018, 72; aA Kube/Schomäcker in K/S/M, § 11 EStG Rz B 41 (November 2016).
Eine weiter gehende Durchbrechung des Zuflussprinzips ermöglicht § 11 Abs 1 S 2 EStG nicht, vgl BFH vom 17.01.1978, VIII R 97/75, BStBl II 1978, 337 zur Mieterabfindung; FG Mchn vom 27.04.1993, 16 K 1968/92, EFG 1994, 155 zu Zinsen. In seiner steuerlichen Wirkung entspricht § 11 Abs 1 S 2 EStG der eines RAP, Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 36 (August 2022). Die Regelung gilt nur für die Zuordnung regelmäßiger Einnahmen zu einem Kj, jedoch nicht – entsprechend – für die Zuordnung innerhalb eines Kj, vgl BFH vom 19.12.1975, VI R 157/72, BStBl II 1976, 322 zur zeitlichen Zuordnung einer im Voraus erbrachten Leistung als Einnahme, die der Erblasser noch vor seinem Tod erhalten hat. Weicht das Wj vom Kj ab, findet § 11 Abs 1 S 2 EStG entsprechend Anwendung, BFH vom 23.09.1999, IV R 1/99, BStBl II 2000, 121.
2. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen
Rn. 57
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Einnahmen sind dann als regelmäßig wiederkehrend iSd § 11 Abs 1 S 2 EStG anzusehen, wenn sie aufgrund des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses (vgl BFH vom 06.07.1995, IV R 72/94, BFH/NV 1996, 209) regelmäßig wiederkehrend am Beginn oder am Ende eines Kj zu erbringen sind, wie dies bei Mietzahlungen, Zinsen, Renten und Gehältern der Fall ist, vgl zu Sparzinsen: BFH vom 10.12.1985, VIII R 15/83, BStBl II 1986, 342; zu monatlichen Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung: BFH vom 24.07.1986, IV R 309/84, BStBl II 1987, 16; zu Quartalsabschlusszahlungen: BFH vom 06.07.1995, IV R 63/94, BStBl II 1996, 266. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen bzw Ausgaben sind auch bei USt-Erstattungen bzw USt-Vorauszahlungen gegeben, BFH vom 01.08.2007, XI R 48/05, BStBl II 2008, 282; BFH vom 11.11.2014, VIII R 34/12, BStBl II 2015, 285.
Nur wenn die Einnahme aufgrund des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ihrer Art nach regelmäßig wiederkehrend ist, findet § 11 Abs 1 S 2 EStG Anwendung. Regelmäßigkeit ist dann anzunehmen, wenn es sich um eine nach dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zweimal wiederkehrende Leistung handelt, Krüger in Schmidt, § 11 EStG Rz 26 (42. Aufl); aA Martini in Brandis/Heuermann, § 11 EStG Rz 38 (August 2022); FG SchlH vom 20.07.1972, I 9/72, EFG 1972, 485; Kister in H/H/R § 11 EStG Rz 78 (April 2021): dreimalige Wiederkehr erforderlich.
Liegen die vorgenannten Voraussetzungen vor, so ist bereits die erste Einnahme als regelmäßig wiederkehrend zu beurteilen, dies gilt auch für den Fall, dass weitere Zahlungen ausbleiben, Krüger in Schmidt, § 11 EStG Rz 26 (42. Aufl) oder das Rechtsverhältnis schon nach der ersten Zahlung vorzeitig beendet wird, Geurts/Walter in Frotscher/Geurts, § 11 EStG Rz 42 (Mai 2022).
Wird die Leistung freiwillig wiederkehrend erbracht, findet § 11 Abs 1 S 2 EStG keine Anwendung, FG D'dorf vom 28.04.1971, X 290/70 L, EFG 1971, 432; dasselbe gilt, wenn die Leistung jeweils von einer neuen Entschlussfassung oder Vereinbarung abhängig ist, vgl BFH vom 06.07.1995, IV R 63/94, BStBl II 1996, 266.
Rn. 58
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Regelmäßigkeit ist dann anzunehmen, wenn die Einnahmen entsprechend dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis in bestimmten Zeitabständen und für bestimmte Zeitabschnitte (monatlich, jährlich) zahlbar sind, wie dies bei festen Zahlungs- bzw Fälligkeitsterminen der Fall ist, BFH vom 10.10.1957, IV 98/56 U, BStBl III 1958, 23. Hingegen ist es nicht Voraussetzung, dass die Zahlungen in gleicher Höhe zu erbringen sind, BFH vom 01.08.2007, XI R 48/05, BStBl II 2008, 282; BFH vom 24.07.1986, IV R 309/84, BStBl II 1987, 16; BFH vom 03.06.1975, VIII R 47/70, BStBl II 1975, 696.
Nicht unter die regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen fallen Dividenden und Gewinnanteile, Gratifikationen, Tantiemen, Raten in Abgeltung einer einmaligen Leistungsverpflichtung, rückständige Pachtzinsen, Lohnnachzahlungen, vgl BFH vom 29.05.1998, VI B 275/97, BFH/NV 1998, 1477; BFH vom 22.07.1993, VI R 104/92, BStBl II 1993, 795. § 11 Abs 1 S 2 EStG findet ferner keine Anwendung auf den Zufluss von sonstigen Bezügen als Arbeitslohn, BFH vom 24.08.2017, VI R ...