Rn. 270
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Nach § 12 Nr 5 EStG idF des BeitrRLUmsG v 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) konnten Aufwendungen des StPfl für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nicht abgezogen werden, wenn die Berufsausbildung oder das Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfand. § 12 Nr 5 EStG hatte das Ziel, eine dem Gesetzgeber missfallende Rspr des BFH zu den Berufsausbildungskosten auszuhebeln. Die Vorschrift ist durch das ZollkodexAnpG v 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417) mit Wirkung ab dem VZ 2015 aufgehoben worden. Die inhaltlichen Regelungen befinden sind inzwischen in § 4 Abs 9 EStG und § 9 Abs 6 EStG. Die Kommentierung zu § 12 Nr 5 EStG aF beschränkt sich deshalb auf die – sehr aufschlussreiche – Rechtsentwicklung und auf verfassungsrechtliche Fragestellungen.
Rn. 271
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Jahrzehntelang hatte der BFH bei der Abzugsfähigkeit von Bildungsaufwendungen danach unterschieden, ob es sich bei ihnen um Ausbildungskosten oder um Fortbildungskosten handelte. Die Kosten der Ausbildung für einen zukünftigen Beruf standen nach der damaligen Auffassung des BFH in keinem hinreichend konkreten Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und den hieraus fließenden Einnahmen. Der BFH argumentierte, dass derartige Ausbildungskosten grundsätzlich bei jedem StPfl anfallen würden und deshalb zu den Kosten der allg Lebensführung gehören würden. Sie waren nach § 12 Nr 1 EStG nicht als BA/WK abzugsfähig, sondern konnten nur nach § 10 Abs 1 Nr 7 EStG als SA iRd vorgegebenen Höchstbeträge abgezogen werden (zB BFH VI R 141/77, BStBl II 1979, 337; BFH VI R 26/79, BStBl II 1981, 439; BFH VI R 95/85, BStBl II 1989, 616). Die Wurzeln dieser Rspr gingen bis auf den RFH zurück, der die Auffassung vertrat, dass "die Erlangung der für den Lebenskampf notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten grundsätzlich der privaten Lebensführung zugehört" (RFH IV A 20/36, RStBl 1937, 1089).
Anders verhielt es sich mit dem Fortbildungskosten in einem bereits ausgeübten Beruf. Der BFH betonte insoweit den Zweck der Aufwendungen, den StPfl in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu halten. Wegen dieses Zusammenhangs mit der konkret ausgeübten Berufstätigkeit ließ der BFH den Abzug als BA/WK zu (zB BFH VI R 119/86, BStBl II 1990, 572; BFH VI R 107/88, BFH/NV 1991, 674; BFH VI R 12/90, BStBl II 1993, 108). Diese Rspr wurde vom BVerfG als verfassungsgemäß angesehen (BVerfG 2 BvR 773/93, NJW 1994, 847).
Rn. 272
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Die Aufwendungen für ein Erststudium an einer Hochschule waren für den BFH nicht abzugsfähige Berufsausbildungskosten, weil das Studium dem StPfl eine höherrangige berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffne (BFH VI R 150/70, BStBl II 1972, 254; BFH VI R 44/83, BStBl II 1985, 94; BFH VI R 94/94; BStBl II 1996, 450). Bei einem Zweitstudium ging der BFH dagegen von Fortbildungskosten aus, wenn das Erststudium zu einem Berufsabschluss geführt hatte und durch das Zweitstudium die erworbenen Erkenntnisse nur ergänzt und vertieft wurden (BFH VI R 26/90, BStBl II 1992, 556; BFH VI R 134/88, BStBl II 1992, 965; BFH IV R 4/97, BStBl II 1998, 239). Dagegen stellten Umschulungskosten, die die Grundlage dafür bildeten, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln, nicht abzugsfähige Berufsausbildungskosten dar (BFH VI R 33/89, BFH/NV 1992, 733; BFH VI R 29/94, BStBl II 1996, 444; s aber auch: BFH VI R 131/89, BStBl II 1992, 963; BFH X B 9/01, BFH/NV 2002, 326).
Rn. 273
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Ende 2002 gab der BFH diese Rspr auf. Er ging nunmehr davon aus, dass Berufsausbildungskosten vorab entstandene BA/WK seien, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen stehen würden (BFH VI R 120/01, BStBl II 2003, 403: Umschulung; BFH VI R 137/01, BStBl II 2003, 407: berufsbegleitendes Erststudium; BFH VI R 33/01, BStBl II 2004, 884: Ausbildung zum Piloten; BFH VI R 85/02, BStBl II 2005, 202: Ausbildung zur Pilotin; BFH VI R 14/03, BFH/NV 2004, 22: Ausbildung zum Krankengymnasten; BFH v 22.07.2003, VI R 72/02: Schulung zum Rettungsassistenten; BFH VI R 26/05, BStBl II 2006, 764: Hochschulstudium sofort nach dem Abitur). Der BFH erkannte insb in einer Vielzahl von Fällen Aufwendungen für ein berufsbegleitendes Studium an (zB BFH VI R 76/02, BFH/NV 2003, 1411: technischer Zeichner studiert technische BWL; BFH VI R 165/00, BFH/NV 2003, 1410: Steuerfachangestellte studiert BWL; BFH VI R 114/00, BFH/NV 2003, 1416: Dipl-Verwaltungswirt studiert Jura; BFH v 22.07.2003, VI R 52/02: Berufskraftfahrer studiert Wirtschaftsingenieurwesen). Auch Aufwendungen für eine Promotion wurden als berufsbedingt anerkannt (BFH VI R 96/01, BStBl II 2004, 891). Es war unerheblich, ob das Studium auf eine ganz bestimmte berufliche Tätigkeit zugeschnitten war oder ob nur allg Kenntnisse in einem Fachbereich vermittelt wurden (BFH VI R 62/03, ...