Josef Mitterpleininger, Dipl.-Finw. (FH) Sebastian Gruber
a) Handelsgeschäfte, Ladengeschäfte
Rn. 54
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Werden über ein Handelsgeschäft nicht nur ausschließlich die Eigenerzeugnisse des luf Betriebs, sondern auch zugekaufte betriebstypische Erzeugnisse verwertet, war nach früherer Rechtslage zu prüfen, ob das Handelsgeschäft (bei mehreren Filialen stellen diese idR in ihrer Gesamtheit das Handelsgeschäft dar) selbstständiger Gewerbebetrieb oder integrierter Bestandteil des luf Erzeugerbetriebs ist.
Diese Prüfung ist mit der neuen BFH-Rspr (Urteil BFH v 25.03.2009, BStBl II 2010, 113) und Änderung in den EStR 2012 obsolet geworden. Die FinVerw setzte die Vorgaben des BFH weitestgehend um (BMF v 18.01.2010, BStBl I 2010, 46 und R 15.5 Abs 6 EStR 2012), allerdings mit einer wesentlichen Änderung, indem sie bei Überschreitung der Grenzen nicht die gesamte Absatztätigkeit im Handelsgeschäft als einheitlichen Gewerbebetrieb beurteilt, sondern nur die Zukäufe. Ob die offensichtlich von der FinVerw bevorzugte Gesamtbetriebsbetrachtung durch die BFH-Rspr gedeckt ist, erscheint fraglich. Die von der FinVerw ins Auge gefasste Auslegung hat allerdings den großen (praktischen) Vorteil, dass keine WG vom luf Betrieb in den Gewerbebetrieb (zum Buchwert) überführt werden müssten und dadurch Gewinne aus der Urproduktion in den Gewerbebetrieb verlagert werden müssen.
Die Vermarktung eigener luf Erzeugnisse ist somit – unabhängig von der Vermarktungsform und dem Vermarktungsweg – grundsätzlich LuF, während der Verkauf zugekaufter Waren gemäß. R 15.5 Abs 11 EStR 2012 nur so lange noch zu einem Betrieb der LuF gehört, solange der daraus erzielte Umsatz nicht mehr als 1/3 des Gesamtumsatzes des gesamten Betriebs ausmacht und auch nicht mehr als 51 500 EUR beträgt. Wird eine der beiden Grenzen überschritten, kommt es (bei Einzelunternehmern sowie Gütergemeinschaften) zu einer partiellen Gewerblichkeit hinsichtlich des Umsatzes mit zugekauften Produkten. Als Zukaufsware gelten alle zur Weiterveräußerung zugekauften Erzeugnisse, Produkte oder Handelswaren, die nicht im Erzeugungsprozess des eigenen Betriebs verwendet werden; hierzu gehören auch zugekaufte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, soweit sie nicht im Erzeugungsprozess selbst verbraucht, sondern weiterverkauft werden (R 15.5 Abs 5 S 8, 9 EStR 2012).
Beispiel:
In einem luf Betrieb werden Kartoffeln, Spargel und Erdbeeren erzeugt. Der Gesamtumsatz des Betriebs beträgt 300 000 EUR. Der Absatz erfolgt zu 50 % über Großhändler und zu 50 % über den eigenen Hofladen.
eigene Erzeugnisse |
125 000 EUR |
zugekaufte Kartoffeln, Spargel und Erdbeeren (Einkaufswert 18 750 EUR) |
25 000 EUR |
zugekaufte Handelsware (Schinken, Wurst usw) (Einkaufswert 25 000 EUR) |
50 000 EUR |
Der LuF besteuert seine Umsätze nach § 24 UStG; die vorstehenden Zahlen beinhalten keine USt. Die dargestellten Betriebsverhältnisse liegen seit mindestens drei Wj unverändert vor.
Da der LuF sowohl eigene als auch fremde Produkte im Hofladen veräußert, ist zu prüfen, ob die Drittel- bzw Betragsgrenze von 51 500 EUR überschritten ist. Zwar wird mit dem erzielten Umsatz aus Zukäufen iHv 75 000 EUR die Drittelgrenze nicht überschritten (75 000 : 300 000 = 25 %), aber die Betragsgrenze von 51 500 EUR, mit der Folge, dass neben dem luf Erzeugerbetrieb mit dem Verkauf von zugekauften Produkten ein eigenständiger Gewerbebetrieb entsteht.
b) Be- und Verarbeitungsbetriebe
Rn. 54a
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Die Be- oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse erfolgte nur dann im Rahmen eines luf Nebenbetriebs, wenn in diesem überwiegend im eigenen luf Hauptbetrieb erzeugte (Roh-)Stoffe be- oder verarbeitet werden (R 15.5 Abs 3 S 1 Nr 1 EStR 2012 sowie BFH v 07.03.1957, BStBl III 1957, 165; BFH v 27.11.1997, BStBl II 1998, 359 zu einer Brennerei). Überwiegen heißt, dass die eingesetzten Eigenerzeugnisse mehr als 50 % betragen müssen (BMF v 19.10.2017, BStBl I 2017, 1431). Erreicht die Verarbeitung eigener Rohstoffe diesen Umfang nicht, wird der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Nebenbetrieb gelöst, weil Letzterer seine Produktionsgrundlage in der Hauptsache nicht mehr in dem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb hat. Für die Überwiegensfrage ist auf die eingesetzte Rohstoffmenge abzustellen, die sich idR am Gewicht der verwendeten Rohstoffe orientiert; lediglich bei Brennereien sowie bei der Erzeugung von Biogas wird auf die in den Rohstoffen enthaltene Ausbeute bzw Stärkemenge abzustellen sein (für Brennereien vgl BMF v 02.04.1991, BStBl I 1991, 496; für Biogasanlagen vgl BMF v 06.03.2006, BStBl I 2006, 248); im Weinbau kommt die Abgrenzbarkeit in Litern auch in Betracht (BMF v 19.10.2017, BStBl I 2017, 1431, dort Tz 2).
Eine Verselbstständigung des Nebenbetriebs kann aber auch dann gegeben sein, wenn in diesem zwar überwiegend im eigenen luf Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe be- und verarbeitet werden, aber andere nach außen auftretende Merkmale für dessen Gewerblichkeit sprechen, wie zB der Betrieb der Brennerei unter eigener handelsrechtlich eingetragener Firma oder dur...