Rn. 51a
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Begründung der atypisch stillen Gesellschaft
Die Begründung der atypisch stillen Gesellschaft an einem Einzelunternehmen wird steuerlich von der Rspr als Einbringung des BV des Einzelunternehmens in eine neu entstehende Mitunternehmerschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingestuft: BFH v 01.03.2018, BStBl II 2018, 587 Rz 37; BFH v 08.12.2016, BStBl II 2017, 538 Rz 16. Deren Mitunternehmer sind der Inhaber des Handelsgewerbes und der oder – wenn sich mehrere am gesamten Handelsgewerbe des Inhabers atypisch still beteiligen – die (atypisch) still Beteiligten. Für die Dauer des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft wird das Unternehmen des Inhabers des Handelsgewerbes ertragsteuerlich dieser Mitunternehmerschaft zugeordnet. Das BV des Inhabers des Handelsgewerbes wird dadurch mitunternehmerisches Vermögen, welches vom Inhaber des Handelsgewerbes im eigenen Namen, aber für Rechnung der Mitunternehmerschaft verwaltet wird.
Im Ergebnis wird die atypisch stille Gesellschaft für steuerliche Zwecke wie eine im Innenverhältnis bestehende (fiktive) KG behandelt Bei Errichtung erfolgt ein Zuordnungswechsel des BV des Geschäftsinhabers, der nach gefestigter Rspr des BFH "wie" eine Einbringung nach § 24 UmwStG behandelt wird (BFH v 01.03.2018, BStBl II 2018, 587). Die atypisch stille Gesellschaft als aufnehmende PersGes kann daher das eingebrachte BV nach § 24 Abs 2 S 3 UmwStG mit dem steuerlichen Buchwert ansetzen. Nach Vees (FM BaWü), DStR 2020, 825, 827, kommt es nach Auffassung der FinVerw im Fall der Gründung im Rahmen der vom BFH genannten Fiktion zu einer Vollanwendung des § 24 UmwStG. Levedag, DStR 2020, 825, 827, befürwortet statt einer Vollanwendung nur die Heranziehung des entsprechenden Rechtsgedankens des § 24 UmwStG, denn die Vermögenslage bleibe zivilrechtlich während der gesamten Dauer unverändert (DStR 2020, 825, 828). Es würden lediglich steuerrechtlich zwei Vermögensmassen fingiert. Die Unterscheidung hat auch Bedeutung für die steuerliche Behandlung zusätzlich gebildeter stiller Reserven bei der Auflösung, insb bei Einbringung von einzelnen WG in Form einer Sacheinlage, von Betrieben bzw Teilbetrieben zum Buchwert statt oder neben einer Bareinlage.
Handelt es sich beim Inhaber des Handelsgewerbes, an dem sich ein anderer atypisch still beteiligt, um eine PersGes, entsteht durch die Errichtung der atypisch stillen Gesellschaft eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft mit der PersGes als Obergesellschaft einer Doppelstockgesellschaft (§ 15 Abs 1 S 1 Nr 2 S 2 EStG; s Rn 111b); unterhalten sowohl die atypisch stille Gesellschaft, der das Unternehmen für die Dauer ihres Bestehens zugeordnet wird, als auch die PersGes jeweils einen selbstständigen Gewerbebetrieb: BFH v 08.12.2016, BStBl II 2017, 538, Leitsatz und Rz 25; BFH v 24.04.2014, BStBl II 2017, 233, 1303 Rz 31–32.
Ist der atypisch stille Gesellschafter am Gewinn- und Verlust sowie den stillen Reserven nur eines Teilbetriebs der PersGes beteiligt (sog Tracking-Stock-Struktur), so bringt die PersGes auch nur diesen Teil in die atypisch stille Gesellschaft ein. Die Entstehung der atypisch stillen Gesellschaft ist steuerlich als eine Einbringung des Betriebs der PersGes in die atypisch stille Gesellschaft iSd § 24 UmwStG zu würdigen, dh, die PersGes ist damit Gesellschafterin der atypisch stillen Gesellschaft, und zwar als Obergesellschaft (OG) einer Doppelstockgesellschaft: BFH v 08.12.2016, IV R 8/14, BStBI II 2017, 538 Rz 25.
Ist ein atypisch stiller Gesellschafter zuvor bereits Kommanditist, ändert sich daran nichts; die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft bewirkt, dass dieselbe Person zugleich als Kommanditist an der OG und als stiller Gesellschafter an der UG beteiligt ist; es kommt lt BFH v 24.04.2014, aaO, Rz 32 nicht in Betracht, die stille Einlage mit der Beteiligung zu einer einheitlichen Mitunternehmerstellung zusammenzufassen. Lt Schulze zur Wiesche, DB 2015, 1487 ist zu bedenken, dass der stille Gesellschafter im Zweifel seine Mitunternehmerinitiative innerhalb der Ober-PersGes entfaltet, soweit ihm in beiden Gesellschaften lediglich die eingeschränkten Rechte eines Kommanditisten zustehen, sodass ihm innerhalb des stillen Beteiligungsverhältnisses, isoliert betrachtet, keine Mitunternehmerinitiative und damit keine Mitunternehmerstellung zukommt, weil er diese bereits in der OG ausübt (es sei denn, ihm werden als still Beteiligtem eigene Rechte eingeräumt, die er aufgrund seines Gesellschaftsanteils noch nicht hat, sodass er zB aus der stillen Beteiligung heraus eine eigene Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt erhält – s BFH v 20.11.1990, BFH/NV 1991, 34, Bezugnahme darauf BFH v 13.07.2017, BStBl II 2017, 1132 Rz 26 – oder Gesellschafterbeschlüsse als stiller Gesellschafter überstimmen kann). Die stille Beteiligung als solche ohne eigene Initiativrechte wäre idR also eine typisch stille und wegen Verstärkung der Mitunternehmerstellung dem Sonder-BV II des Kommanditisten zuzurechnen ...