Rn. 120
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Wie die Parteien das Verhältnis bezeichnen, ist nicht allein entscheidend. Es ist vor allem dann nicht entscheidend, wenn sonstige wesentliche Umstände insb der tatsächlichen Gestaltung des Vertreterverhältnisses für eine andere Auffassung sprechen. Ist das nicht der Fall, dann wird man regelmäßig zu berücksichtigen haben, wie das Verhältnis im Vertrag bezeichnet worden ist, Hinweis auf s Rn 118. Man muss dann davon ausgehen, dass sich die Parteien bei der Bezeichnung etwas gedacht haben und dass insb auch die zivilrechtlichen Folgen sich danach richten sollen.
Nicht entscheidend ist die Art der Vergütung, die der Vertreter erhält. Nach FG Ka EFG 1954, 307 schließt die einem Reisevertreter neben einem Festgehalt gezahlte Umsatzprovision die Annahme eines steuerlich anzuerkennenden Angestelltenverhältnisses nicht aus. Dem ist zuzustimmen. Der Provisionsvertreter wird aber eher Gewerbetreibender als unselbstständig Tätiger sein, während es beim Vertreter mit festem Gehalt meist umgekehrt sein wird. Sehr häufig wird zu einem Fixum noch eine Provision vereinbart. Dann hängt die Beurteilung wiederum von der sonstigen tatsächlichen Vertragsgestaltung ab.
Ein Reisevertreter ist nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse (H 15.1 EStH 2023 "Selbständigkeit", "Reisevertreter", "Gesamtbild") selbstständig tätig, wenn er die typische Tätigkeit eines Handelsvertreters iSd § 84 Abs 1 HGB ausübt, dh Geschäfte für ein anderes Unternehmen vermittelt oder abschließt und ein geschäftliches Risiko trägt (H 15.1 EStH 2023 "Selbstständigkeit"). Dazu ergänzend s BVerfG v 25.10.1977, 1 BvR 15/75, NJW 1978, 365. Unselbstständigkeit liegt nicht vor bei Handelsvertretern mit typischer Agenturtätigkeit für bestimmte Bezirke, selbst wenn der Vertreter täglich seiner Firma berichten muss und diese die Verkaufspreise bestimmen kann: RFH RStBl 1942, 399; 1944, 381; StuW 1944 Nr 171.
Reisende werden regelmäßig als selbstständige Handlungsagenten iSd § 84 Abs 1 HGB anzusehen sein, wenn sie ein eigenes Büro haben und insb die Kundenbesuche zeitlich und der Reihenfolge nach ihrem freien Entschluss überlassen bleiben und sie im Vertrag nicht als ArbN bezeichnet werden. Dann hängt der Erfolg der Tätigkeit trotz vereinbartem Fixum, das lediglich eine Mindestprovision garantieren soll, in erheblichem Umfang vom Reisenden selbst ab. BV in nur geringem Umfang ist unschädlich (BFH v 31.10.1974, BStBl II 1975, 115 zu 2. der Begründung; BVerfG v 25.10.1977, BStBl II 1978,125).
Im Fall BFH BStBl III 1952, 79 hat der BFH für einen Mitarbeiter im Außendienst, obwohl der nur eine Firma vertreten durfte und gegen Fixum zzgl Provision tätig war, aufgrund des Gesamtbildes Selbstständigkeit angenommen. Ausschlaggebend mögen hier die im Wesentlichen freie Verfügung des StPfl hinsichtlich des Arbeitsorts sowie die Vereinbarung gewesen sein, wonach den StPfl die Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns trifft. ME nicht zutreffend. Ferner FG Freiburg EFG 1956, 147 betreffend einen Reisenden. Das FG nahm trotz erheblicher Bindungen aufgrund sog typischer Agenturtätigkeit Selbstständigkeit an, der StPfl erhielt keinen Reisekostenersatz. Der Gedanke der sog typischen Agenturtätigkeit ist hier ebenso wie in BFH BStBl III 1952, 79 abzulehnen, da eine Geschäfte vermittelnde Tätigkeit ebenso gut als nichtselbstständige ausgeübt werden kann (Hinweis auf s Rn 121).
Das FG Nbg EFG 1956, 363 nahm betreffend den Verkäufer von Kfz aufgrund der Vertragsgestaltung: Verkaufsvermittlung, Freizügigkeit in der Zeitausnutzung, Kundenermittlung, Provision neben Fixum, kein Tage- und Übernachtungsgeldersatz, Zahlung kleiner Repräsentationsspesen aus eigener Tasche, Selbstständigkeit iSv § 84 Abs 1 HGB (freie Tätigkeits- und Arbeitsplatzgestaltung) an trotz des Arbeitsplatzes im Büro seiner Firma, Tätigkeit nur für die eine Firma, täglicher Berichterstattung, Pensionsberechtigung. Ebenso ist der sog Generalagent.
Der Reisevertreter kann kann aber auch unselbstständig (in einem Arbeitsverhältnis) tätig sein (§ 84 Abs 2 HGB); ob dies der Fall ist, richtet sich ebenfalls nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Der Reisevertreter ist unselbstständig tätig, wenn er einem Unternehmen derart eingegliedert ist, dass er den Weisungen des Unternehmens zu folgen verpflichtet ist, und zwar muss diese Unterordnung hinsichtlich Ort, Zeit, Art und Weise der Tätigkeit gegeben sein (BFH vom 31.10.1974, aaO, zu 3.a. der Begründung; RFH RStBl 1929, 375).
Die Bezirksstellenleiter des Nordwest Lottos werden in BFH BStBl III 1960, 349 wie nichtselbstständige Generalagenten behandelt; im Gegensatz hierzu BFH BStBl II 1968, 718 für die Bezirksstellenleiter der Bremer Toto und Lotto GmbH: wie selbstständige Generalvertreter: s Rn 127a.