a) Relevanz
Rn. 2551
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Das Verhältnis von Erbfall zu Erbauseinandersetzung ist mittlerweile geklärt. Die früher von der Rspr angewandte Einheitstheorie wurde zugunsten der Trennungstheorie aufgegeben. Bedeutung haben die unterschiedlichen Theorien vor allem im Hinblick auf die sich an den Erbfall anschließende Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bzw die Verteilung des Vermögens zur Erfüllung von Vermächtnissen, Auflagen, Pflichtteils(ergänzungs)ansprüchen und den früheren Erbersatzansprüchen nach § 1934a BGB aF nichtehelicher Kinder (bis zum 31.03.1998).
Rn. 2552
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Unter der Einheitstheorie fand diese Auseinandersetzung und Verteilung außerhalb des Steuerrechts als rein privater Vorgang statt. Damit sollte die vollständige Verteilung des Vermögens auf die vom Erblasser vorgesehenen Personen weitestgehend ertragsteuerneutral ermöglicht werden, insbesondere bei BV. Indem das Steuerrecht sozusagen erst dann wieder hinschaute, wenn das Vermögen – wie geplant – verteilt war, waren Zuordnung der einzelnen WG und evtl Ausgleichszahlungen steuerlich im Wesentlichen irrelevant. Dennoch ermöglicht auch die Trennungstheorie in den meisten Fällen eine steuerneutrale Auseinandersetzung, die jedoch gewisse Gestaltungskenntnisse voraussetzt.
b) Die früher vorherrschende Einheitstheorie
Rn. 2553
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die frühere Rspr basierte auf der sog Einheitstheorie, wonach im Grundsatz Erbfall und Erbauseinandersetzung eine rechtliche Einheit bildeten (BFH vom 07.10.1965, IV 346/61 U, BStBl III 1965, 666; BFH vom 29.05.1969, IV R 238/66, BStBl II 1969, 614; BFH vom 23.04.1971, IV 201/65, BStBl II 1971, 686; BFH vom 10.08.1972, VIII R 1/67, BStBl II 1973, 9; BFH vom 19.05.1983, IV R 138/79, BStBl II 1985, 510). Danach war der Erbfall zunächst ein unentgeltlicher, außerbetrieblicher Vorgang. Der oder die Erben traten steuerlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Das Steuerrecht knüpft also an das bürgerlich-rechtliche Prinzip der Universalsukzession (§§ 1922, 1967 BGB) an. Bei BV lag ein unentgeltlicher Betriebsübergang vor (§ 6 Abs 3 EStG, § 7 EStDV aF). Die Erbfallschulden stellten keine AK dar.
Rn. 2554
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Der bis zum Todestag entstandene Gewinn ist dem Erblasser zuzurechnen (BFH vom 28.03.1973, I R 100/71, BStBl II 1973, 544). Die laufenden ab dem Todestag bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entstehenden Gewinne stehen zivilrechtlich den Miterben im Verhältnis ihrer Erbquote zu. Sie erhalten die Erträge bei der Auseinandersetzung (§ 2038 BGB). Zwar wird die Erbengemeinschaft nicht automatisch zur Mitunternehmerschaft, jedoch sind die Gewinne aller Miterben in der vom Erblasser abzuleitenden Qualifikation als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen, soweit sie ihnen bis zur Auseinandersetzung oder iRd Auseinandersetzung zufließen, unabhängig davon, ob die einzelnen Miterben als Mitunternehmer zu beurteilen sind (BFH vom 12.01.1978, IV R 5/75, BStBl II 1978, 333; BFH vom 28.11.1979, I R 29/76, BStBl II 1980, 266).
Eine Erbengemeinschaft kann also nebeneinander Gewinn- und Überschusseinkünfte erzielen. Veräußern der Alleinerbe oder die Miterben den ererbten Betrieb oder geben sie den Betrieb auf, handelt es sich um eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe iSd § 16 EStG, ein Gewinn hieraus entsteht originär in der Person des/der Erben (strittig war insoweit, ob dies auch dann gilt, wenn der Erblasser die Veräußerung angeordnet hat).
Rn. 2555
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Damit werden die Miterben nicht automatisch ab Erbfall Mitunternehmer iSd § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG. Führen alle Miterben den Betrieb fort (fortgesetzte Erbengemeinschaft), entsteht eine Mitunternehmerschaft. Die Erbengemeinschaft gilt vom Tag des Erbfalls an als Mitunternehmerschaft (BFH vom 28.11.1979, I R 29/76, BStBl II 1980, 266). Damit können die Miterben aufgrund ihres Verhaltens als Mitunternehmer zu beurteilen sein (BFH vom 07.02.1980, IV R 178/76, BStBl II 1980, 383). Sie werden zwangsweise zu Mitunternehmern, wenn die Erbengemeinschaft sich nicht innerhalb angemessener Frist nach dem Erbfall auseinandersetzt. Als angemessen wird dabei die Frist von 1 Jahr angesehen (zB BFH vom 26.07.1963, VI 334/61 U, BStBl III 1963, 480; BFH vom 07.08.1964, VI 165/63 U, BStBl III 1964, 576; BFH vom 07.02.1980, IV R 178/76, BStBl II 1980, 383).
Rn. 2556
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Bei der Erbauseinandersetzung vor Entstehen einer Mitunternehmerschaft stellen sich Erbfolgen und Erbauseinandersetzung einkommensteuerrechtlich als unselbständige Teile eines einheitlichen privaten Vorgangs dar. Entgegen der zivilrechtlichen Rechtslage – zivilrechtlich ist die Erbauseinandersetzung ein obligatorischer gegenseitiger Vertrag (Bolk, DStZ 1986, 547) – sind die Vorgänge einkommensteuerrechtlich so zu werten, als ob der Betrieb unmittelbar mit dinglicher Wirkung vom Erblasser auf die fortführenden Miterben übergegangen wäre. Diese werden so behandelt, als wenn sie zu Erben eingesetzt worden wären und den weichenden Miterben ein Vermächt...