Dr. jur. Lukas Karrenbrock
a) Alte Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG vom 23.10.2008
Rn. 237
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Auch Verbindlichkeiten eines Gesellschafters aus einer Bürgschaft können zu nachträglichen AK führen. Die Beurteilung, ob die Inanspruchnahme durch Bürgschaft zu AK führt, erfolgt stark angelehnt an die Kriterien für die Berücksichtigung von AK durch einen Ausfall von Gesellschafterdarlehen (s Rn 224ff). Folglich führt die Inanspruchnahme des Gesellschafters aus einer Bürgschaft für seine Gesellschaft zu nachträglichen AK, wenn die Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, EK-ersetzenden Charakter hat und die Rückforderung gegen die Gesellschaft wertlos/wertgemindert ist (BFH vom 20.08.2013, IX R 1/13, BFH/NV 2014, 310; BFH vom 04.03.2008, IX R 80/06, BStBl II 2008, 577).
Für die Charakterisierung des EK-Ersatzes ist darauf abzustellen, ob die Bürgschaft nach Eintritt der Krise übernommen wurde oder von vorneherein auch für den Eintritt einer Krise bestimmt war (BFH vom 24.04.1997, VIII R 16/94, BStBl II 1999, 339).
Rn. 238
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Für das Vorliegen von AK ist es nicht von Bedeutung, ob die Bürgschaft unentgeltlich erfolgte (BFH vom 06.07.1999, VII R 9/98, BStBl II 1999, 817). Wird eine Bürgschaft durch einen Gesellschafter verlängert, welcher schon aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, kann die Bürgschaft dennoch zu nachträglichen AK führen (BFH vom 06.07.1999, VII R 9/98, BStBl II 1999, 817). Maßgeblich ist, dass der Bürge auch tatsächlich wirtschaftlich belastet wird; die Bürgschaftspflicht allein begründet noch keine Erhöhung der AK.
Daraus folgend ist eine Bürgschaft in den nachträglichen AK zu berücksichtigen, wenn der Bürge selbst nicht zahlungsfähig ist oder die Rückgriffsforderung gegenüber der Gesellschaft wertlos/wertgemindert ist. Die Frage, ob die Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist auch dann zu bejahen, wenn ein Gesellschafter im Interesse der Gesellschaft eine Bürgschaft mit einem Dritten abschließt.
Beispiel (nach BFH vom 04.03.2008, IX R 80/06, DStR 2008, 967):
A war alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter iHv 50 % der Anteile der Bau-GmbH.
Um zwischen der Bau-GmbH und dem potentiellen Kunden K einen wichtigen Verkauf, welcher die KapGes aus der Krise führen sollte, auszuführen, übernahm A eine Bürgschaft für ein von K bei der Bank aufgenommenes Darlehen. Diese Verbindlichkeit hatte K aufgenommen, um den Kaufvertrag mit der Bau-GmbH abschließen zu können. Als K seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, nahm die Bank A für die Darlehensverbindlichkeit in Anspruch. Um dieser Zahlungsverbindlichkeit nachkommen zu können, nahm A seinerseits ein Darlehen bei der Bank auf. A bediente das Darlehen entsprechend in der Folgezeit. Über das Vermögen des K wurde währenddessen das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei A seine Forderungen aus der Bürgschaft geltend machte. Die Bau-GmbH wurde nach weiteren Krisenjahren schlussendlich aufgelöst und liquidiert. Eine Auskehrung erfolgte dabei nicht.
Lösung:
Die Aufwendungen des A aus der Bürgschaftsverpflichtung können als AK für Zwecke des § 17 EStG berücksichtigt werden. Die Bürgschaftsinanspruchnahme basierte auf einer im Interesse der GmbH übernommenen Bürgschaft. Da diese entsprechend durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst wurde, handelt es sich um einen abgekürzten Vertragsweg. Da er die GmbH nicht auf Ersatz in Anspruch nimmt, liegen eine verdeckte Einlage vor und somit nachträgliche AK der Beteiligung.
Rn. 239
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Demgegenüber ist die Bürgschaft einer nahestehenden Person für die Gesellschaft regelmäßig als Drittaufwand, welcher nicht zu nachträglichen AK führt, einzuordnen (Gosch in Kirchhof/Seer, § 17 EStG Rz 95 (22. Aufl)). Wird die Bürgschaftsverpflichtung ratenweise gestreckt, so sind die AK nachträglich nur um den abgezinsten Betrag zu erhöhen (BFH vom 20.11.2012, IX R 34/12, BStBl II 2013, 378).
Die Bewertung der nachträglichen AK erfolgt
- bei Bürgschaften, die in der Krise gewährt wurden, krisenbestimmten Bürgschaften und Finanzplanbürgschaften mit dem Nennwert (BFH vom 20.11.2012, IX R 34/12, BStBl II 2013, 378) und
- bei Bürgschaften, die durch das Stehenlassen in der Krise EK-ersetzenden Charakter erlangt haben, mit dem gemeinen Wert (BFH vom 06.07.1999, VII R 9/98); s Rn 228.
b) Neuregelung nach Inkrafttreten des MoMiG vom 23.10.2008 bis zum 31.07.2019
Rn. 239a
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Unabhängig davon, ob eine Bürgschaft "krisenbestimmt" oder in der Krise der Gesellschaft übernommen worden ist, führten Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus einer Gesellschafterbürgschaft nicht mehr zu nachträglichen AK bei den Anteilen gemäß § 17 EStG (BFH vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208). Für die Zwischenzeit bis zum Inkrafttreten des § 17 Abs 2a EStG (s Rn 281aff) gilt eine Vertrauensschutzregelung (s Rn 235a).
Seit dem Urteil des BFH vom 20.07.2018, IX R 5/15, BStBl II 2019, 194 ist geklärt, dass für die Bestimmung von nachträglichen AK eine rein formale und keine "wirtschaftliche" Betrachtungsweise gilt, womit "Gesellschaftereinlagen in letzter Minute" (Ott, StuB 2018, 15 (22); Trossen...