Dr. jur. Lukas Karrenbrock
a) Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
Rn. 138
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist bei der Einziehung von Anteilen zwischen den Rechtsformen der AG und der GmbH zu unterscheiden. Aktien können zwangsweise oder nach Erwerb durch die Gesellschaft eingezogen werden, wobei die Voraussetzungen über die ordentliche Kapitalherabsetzung zu beachten sind (§ 237 Abs 2 S 1 AktG). Daneben besteht ein vereinfachtes Einziehungsverfahren, bei dem die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung unter bestimmten Voraussetzungen nicht befolgt werden müssen (§ 237 Abs 3 AktG).
Bei der GmbH handelt es sich bei der Einziehung von Anteilen grds um die Vernichtung eines Geschäftsanteils, ohne dass gleichzeitig das Stammkapital verändert wird (§ 34 GmbHG). Die Einziehung wirkt sich auf die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises aus, indem die Beteiligungsverhältnisse der verbleibenden Gesellschafter sich verändern. Zu differenzieren ist zwischen Zwangseinziehung und der Einziehung mit Einverständnis des Gesellschafters. Gründe für die Zwangseinziehung sind im Wesentlichen die Insolvenz eines Gesellschafters bzw Vollstreckungsmaßnahmen in seinen Geschäftsanteil oder im Erbfall mit Abfindungszahlung an den Erben ein gesellschaftsvertraglicher Ausschluss der Vererblichkeit des Geschäftsanteiles (Westermann in Scholz, § 34 GmbHG Rz 3; Dorn, Ubg 2020, 17).
IdR erhält der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung für den eingezogenen Anteil; nur in Ausnahmefällen ist auch eine Einziehung ohne Entgelt möglich. Die Einziehung kann aber auch als Maßnahme im Anschluss an den Erwerb eines eigenen Geschäftsanteils erfolgen, zB wenn eine geplante Veräußerung der GmbH-Anteile an einen Dritten scheitert und die Gesellschaft wegen der bilanziellen und steuerlichen Folgen die Einziehung dieser Anteile vornimmt (Westermann in Scholz, § 34 GmbHG Rz 4; zu den steuerlichen Folgen s Rn 109).
b) HB und StB der Gesellschaft
Rn. 139
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts ist § 272 Abs 1a HGB neu eingeführt worden, der die handelsbilanzielle Behandlung erworbener eigener Anteile auf Ebene der erwerbenden Körperschaft erstmals grundsätzlich regelt (BilMoG vom 25.05.2009, BGBl 2009, 1102). In der HB der Gesellschaft erfolgt der handelsrechtliche Ausweis beim Erwerb bzw bei Veräußerung eigener Anteile unabhängig von der Rechtsform der Körperschaft (AG oder GmbH). Der Unterschiedsbetrag zwischen Nennbetrag (bzw dem rechnerischen Wert) und den AK der eigenen Anteile ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen (§ 172 Abs 1a HGB).
Im Gegensatz zur Rechtslage vor Einführung des BilMoG werden grds eigene Anteile nicht mehr als WG der Körperschaft aktiviert (Früchtl/Fischer, DStZ 2009, 112, 115; aA Köhler, DB 2011, 15, 16, wonach die eigenen Anteile noch Vermögensgegenstände sind, die aber nicht mehr nach § 272 Abs 1a HGB aktiviert werden dürfen). Die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Anteile stellen handelsrechtlichen Aufwand des Geschäftsjahres dar (§ 272 Abs 1a S 3 HGB nF).
Die Vorschrift des § 272 Abs 1b HGB nF behandelt die bilanziellen Folgen bei der Veräußerung eigener Anteile. Hierbei handelt es sich wirtschaftlich nicht um einen Veräußerungsvorgang, sondern um eine Kapitalerhöhung. Demzufolge entfällt der Ausweis der eigenen Anteile und das "neue Kapital" wird dem erwerbenden Gesellschafter zugewiesen. Übersteigt der Veräußerungserlös den Nennbetrag, so ist der Differenzbetrag wieder in die jeweilige Rücklage einzustellen.
Aufgrund der Maßgeblichkeit der HB für die StB gilt diese handelsbilanzielle Wertung gemäß § 5 Abs 1 EStG auch für die StB der Körperschaft. Aus steuerrechtlicher Sicht dürfen daher die Anteile weder beim Erwerb zum Weiterverkauf noch zur Einziehung steuerlich aktiviert werden.
c) Steuerliche Auswirkungen bei der Gesellschaft
Rn. 140
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Die Einziehung der eigenen Anteile ist als steuerneutraler Vorgang zu werten. Die FinVerw hat zu den steuerlichen Auswirkungen aufgrund der Neuregelung des § 272 Abs 1a und 1b HGB idF BilMoG Stellung genommen (BMF vom 27.11.2013, BStBl I 2013, 1615): Bei der Einziehung ohne vorangegangenen Erwerb (Vernichtung des Anteils gegen Abfindung) liegt auf Ebene der Gesellschaft kein Veräußerungs- oder Anschaffungsvorgang vor. Die Entschädigungszahlung ist wie eine Kaufpreiszahlung (an den ausscheidenden Gesellschafter) zu behandeln.
d) Steuerliche Auswirkungen auf Ebene des Gesellschafters
da) Einziehung von Aktien
Rn. 141
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Die steuerliche Behandlung der Einziehung auf Ebene des Gesellschafters ist umstritten. Nach einer aA ist zu differenzieren: Die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien gemäß § 237 Abs 2 S 1 AktG iVm § 222 AktG bewirkt die Vernichtung einzelner Mitgliedschaftsrechte, auf die § 17 Abs 4 EStG anzuwenden ist (Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 150; glA Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz 89 (August 2018)). Da es sich hier um eine Kapitalherabsetzung handelt, soll in diesem Fall eine Teilliquidation iSd § 17 Abs 4 EStG vorliegen. Hingegen werden bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung durch Einziehung die Aktien zu Lasten des Bilanzgewinns oder ei...