Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 142
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Bei der entgeltlichen Einziehung von GmbH-Anteilen soll nach der herrschenden Lehre in der Literatur eine Veräußerung iSd § 17 Abs 1 EStG vorliegen (Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 150; Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, § 17 EStG Rz 142 (April 2021); Vogt in Brandis/Heuermann, § 17 EStG Rz 400 (Dezember 2022); Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz 89 (August 2018); Früchtl/Fischer, DStZ 2009, 112, 115). Nach Ansicht der FinVerw ist die Entschädigungszahlung wie eine Kaufpreiszahlung zu behandeln (BMF vom 27.11.2013, BStBl I 2013, 1615 Rz 16). Dieser Auffassung hat sich auch das FG RP angeschlossen (FG RP vom 04.11.2015, 1 K 1214/13, EFG 2016, 288 rkr).
Nach einer gegenteiligen Auffassung stellt die Einziehung der Anteile eine Teilliquidation dar und ist daher nach § 17 Abs 4 EStG zu behandeln (Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 28 (42. Aufl); Dorn, Ubg 2020, 17, 21). Demzufolge sind das Entgelt (die Abfindung) für den ausscheidenden Gesellschafter Einnahmen aus KapVerm gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 EStG bzw Rückzahlungen aus dem Einlagekonto gemäß § 27 KStG, da die (Teil-)Liquidation als finale Ausschüttung anzusehen ist (Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 28 (42. Aufl)). ME liegt ein Veräußerungsgeschäft vor, da der ausscheidende Gesellschafter für seine Anteile an der GmbH einen entsprechenden Wertersatz in Form einer Abfindung erhält. Aus wirtschaftlicher Sicht veräußert der ausscheidende Gesellschafter faktisch seine Anteile an die übrigen verbleibenden Mitgesellschafter.
Beispiel:
Die Anteile des Gesellschafters G2 an der X-GmbH werden gegen Abfindung eingezogen, da G2 das private Insolvenzverfahren eröffnen wird. Das Stammkapital der X-GmbH beträgt EUR 25 000; G2 ist zu 10 % (EUR 2 500) am Stammkapital beteiligt. Die X GmbH zahlt eine angemessene Abfindung von EUR 5 000.
Lösung:
Beim Gesellschafter G2 liegt ein Veräußerungsgeschäft vor iSd § 17 Abs 1 EStG (BMF vom 27.11.2013, aaO, Tz 16). Der Veräußerungsgewinn beträgt EUR 2 500. Nach § 3 Nr 40 Buchst c EStG sind 40 % steuerfrei und die verbleibenden 60 % sind mit dem persönlichen Steuersatz des G2 zu versteuern.
Nach einer Ansicht der Literatur liegt eine Teilliquidation vor, so dass die entgeltliche Einziehung als finale Ausschüttung anzusehen ist. Demzufolge würde G1 Einkünfte aus KapVerm gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG erzielen, wobei nach Verwendung des ausschüttbaren Gewinns auch auf das Einlagekonto gemäß § 27 EStG zurückgegriffen werden kann. In der Praxis bleiben bei dieser Ansicht viele Fragen offen, wie diese (Teil-)Ausschüttung zu erfolgen hat (Einbehaltung von KapSt, vorrangige Verwendung des ausschüttbaren Gewinns).