Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Schrifttum:
Ott, Kapitalrückzahlung und Kapitalverlust bei Anteilen iSd § 17 EStG, FS Klaus Korn (2005), 105;
Völlmeke, Der Auflösungsgewinn oder -verlust gemäß § 17 EStG, DStR 2005, 2024;
Früchtl/Proschka, Die einkommensteuerliche Behandlung von Erlösen aus der Liquidation von KapGes nach dem SEStEG, BB 2007, 2147;
Preetz, Entstehung des Auflösungsverlusts gemäß § 17 EStG, GmbHR 2007, 1022;
Eller, Die Liquidation der GmbH in Grundzügen – Die Besteuerung des Abwicklungserlöses bei den Anteilseignern, SteuK 2013, 93;
Ott, Probleme beim steuerlichen Einlagekonto und bei der Einlagenrückgewähr, DStR 2014, 673;
Deutschländer, Realisierung eines insolvenzbedingten Auflösungsverlusts nach § 17 Abs 4 EStG, Teil 1: Die Eintrittskarte für die Bestimmung des maßgeblichen Realisationszeitpunkts, NWB 2016, 1829;
Deutschländer, Realisierung eines insolvenzbedingten Auflösungsverlusts nach § 17 Abs 4 EStG, Teil 3: Sonderthemen im Zusammenhang mit der Bestimmung des maßgeblichen Realisationszeitpunkts, NWB 2016, 1917;
Kopec/Wellmann, Formwechsel einer polnischen KapGes in eine PersGes aus Sicht deutscher Investoren – eine gesellschafts- und steuerrechtliche Analyse, IStR 2016, 65;
Binnewies, Einlagenrückgewähr und Nennkapitalrückzahlung durch ausländische KapGes, GmbH-StB 2017, 189;
Kahlert, Neuausrichtung nachträglicher AK bei § 17 EStG durch den BFH, zugleich Besprechung des BFH vom 11.07.2017, IX R 36/15;
Dorn, Steuerfolgen der Einziehung von Geschäftsanteilen nach § 34 GmbHG unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei Erwerb der Beteiligung iSd § 17 EStG von Todes wegen, Ubg 2020, 17.
A. Allgemeines
Rn. 330
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Neben den Abs 1–3 des § 17 EStG normiert Abs 4 drei gesetzliche Fiktionen, die der Veräußerung gleichgestellt werden. Kennzeichnend für alle Fiktionen ist, dass – zumindest in Teilen – eine Rückzahlung von EK der KapGes an den Gesellschafter vorgenommen wird. Durch die sprachliche Neufassung des § 17 Abs 4 EStG aufgrund des SEStEG gelten
- die Auflösung einer KapGes (s Rn 341ff),
- die Herabsetzung bei Rückzahlung des Nennkapitals (s Rn 371ff) und
- die Auskehrung aus dem steuerlichen Einlagekonto iSd § 27 KStG (s Rn 381ff)
als Veräußerung iSd § 17 Abs 1 EStG.
Rn. 331
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Zuvor wurde mit § 17 Abs 4 EStG lediglich eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs 1–3 EStG angeordnet (Ersatzrealisationstatbestand); eine tatbestandliche Erweiterung des § 17 Abs 4 EStG ist mit der sprachlichen Neufassung durch das SEStEG jedoch nicht verbunden (Schmidt in H/H/R, 17 EStG Rz 260(August 2018)). Hintergrund der Neuformulierung ist, dass nach Art 10d Fusionsrichtlinie vom 17.02.2005 (Richtlinie 2005/19/EG des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/434/EWG) der Ansässigkeitsstaat eines Gesellschafters "Veräußerungen" besteuern darf, nicht aber Gewinne aus Ersatztatbeständen. Es ist jedoch fraglich, ob durch die sprachliche Neufassung in § 17 Abs 4 EStG der Begriff der Veräußerung gemäß Fusionsrichtlinie unilateral erweitert werden kann (Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, § 17 EStG Rz 324 (April 2021)).
Rn. 332
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Während nach der alten Formulierung des § 17 Abs 4 EStG ("entsprechende Anwendung") zweifelhaft war, ob für die Ersatzrealisationstatbestände der Freibetrag nach § 17 Abs 3 EStG in Anspruch genommen werden kann (FG BBg vom 15.07.2008, 7 V 7083/08, EFG 2008, 1956), ist dies nach der heutigen Rechtslage – Veräußerung wird fingiert – zweifelsfrei der Fall (glA Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, § 17 EStG Rz 325 (April 2021)).
Rn. 333
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Ebenso wie der Tatbestand des § 17 Abs 1 EStG erfasst § 17 Abs 4 EStG auch ausländische KapGes, wenn das jeweilige DBA der Bundesrepublik das Besteuerungsrecht zubilligt (BFH vom 30.03.1993, VIII R 44/90, BFH/NV 1993, 597). Dies ist regelmäßig der Fall, da Art 13 Abs 5 OECD-MA das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zuweist (nur wenige DBA weisen das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der KapGes zu (zB Tschechien, Slowakei, Zypern).
Dass idR der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das Besteuerungsrecht für die Gewinne gemäß § 17 Abs 4 EStG hat, ist auch bei Umwandlungen einer ausländischen KapGes in eine PersGes zu beachten. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht die Umwandlung nicht identitätswahrend, sondern als Auflösung gewertet wird (BFH vom 22.02.1989, I R 11/85, BStBl II 1989, 794; Schönfeld, FR 2007, 436; Kopec/Wellmann, IStR 2016, 65).
§ 17 Abs 4 EStG ist auch für beschränkt StPfl anwendbar, wenn die KapGes Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat (§ 49 Abs 1 Nr 2 Buchst e EStG).
Rn. 334
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Vorrangig vor der Anwendung des § 17 Abs 4 EStG (und von dessen Fiktionen abzugrenzen) sind
- Ausschüttungen, die zu Einkünften aus KapVerm gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 und 2 EStG führen. Deren Vorrangigkeit ist dadurch gerechtfertigt, dass die von der KapGes erwirtschafteten Vermögensmehrungen auch im Zuge einer Auflösung der KapGes oder Kapitalherabs...