Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Schrifttum:
Seibold, Problematik der Doppelansässigkeit von KapGes, IStR 2003, 45;
El Mahi, Die Europäische Genossenschaft, DB 2004, 697;
Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765;
Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, DStR 2006, 1481;
Benecke, Entstrickung und Verstrickung bei WG des PV – Wegzug eines Gesellschafters und einer Gesellschaft, NWB 2007, 3325;
Strahl, Rechtsentwicklungen zur Veräußerung von Anteilen an KapGes iSd § 17 EStG, KÖSDI 2007, 15 657;
Eickmann/Mörwald, Steuerrechtliche Auswirkungen des Wegzuges von KapGes in einen Drittstaat, DStZ 2009, 422;
Bron, Zum Risko der Entstrickung durch den Abschluss bzw die Revision von DBA, IStR 2012, 904;
Rosner, Voraussetzungen des grenzüberschreitenden Formwechsels in eine deutsche GmbH, NWB 2016, 2726.
A. Allgemeines
Rn. 391
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Im Zusammenhang mit der allgemeinen Entstrickungsregelung des § 4 Abs 1 S 3 EStG (s §§ 4, 5 Rn 244ff (Briesemeister)) wurde durch das SEStEG vom 07.12.2006 § 17 Abs 5 EStG eingeführt. Danach wird der Wegzug durch Verlegung des Sitzes (§ 11 AO) oder des Ortes der Geschäftsleitung (§ 10 AO) einer KapGes in das Ausland einer Veräußerung gleichgestellt, wenn dadurch das deutsche Besteuerungsrecht an Anteilen iSd § 17 EStG ausgeschlossen oder beschränkt wird. Mit der Regelung des § 17 Abs 5 EStG soll das inländische Besteuerungsrecht an den Anteilen (Gesellschafterebene) gesichert werden. § 12 Abs 1 und 3 KStG sichern hingegen das inländische Besteuerungsrecht an den WG der KapGes (Gesellschaftsebene).
Rn. 392
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
§ 17 Abs 4 EStG ist gegenüber § 17 Abs 5 EStG stets vorrangig anzuwenden (Vogt in Brandis/Heuermann, § 17 EStG Rz 894 (Dezember 2022); Gosch in Kirchhof/Seer, § 17 EStG, Rz 145 (22. Aufl); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481, 1487); es greift die Veräußerungsfiktion des § 17 Abs 4 EStG, wenn der Wegzug zu einer zivilrechtlichen Auflösung der KapGes führt. Folglich kommt die Anwendung des § 17 Abs 5 EStG nur in Betracht, wenn der Wegzug der KapGes identitätswahrend erfolgt (so auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 16/2710, 29).
Da für deutsche Rechtsformen eine Verlegung des Sitzes nicht möglich ist (s Rn 356ff), erfasst der Anwendungsbereich der Regelung des § 17 Abs 5 EStG im Wesentlichen die Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung. Für ausländische Rechtsformen kann jedoch auch die Verlegung des Sitzes zur Anwendung von § 17 Abs 5 EStG führen, da nach ausländischem Gesellschaftsrecht in manchen Fällen eine Verlegung des Sitzes in das Ausland nicht zur Auflösung der KapGes führt.
Letztlich ist der Anwendungsbereich des § 17 Abs 5 EStG gegenwärtig jedoch sehr begrenzt. Der Anwendungsbereich könnte aufgrund des Einflusses primär- und sekundärrechtlicher Normen des Europarechts künftig jedoch zunehmen, wenn Wegzüge identitätswahrend möglich werden sollten (Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765, 767).
Rn. 393–395
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
vorläufig frei
B. Tatbestandsvoraussetzungen
1. Verlegung des Sitzes oder Ortes der Geschäftsleitung
Rn. 396
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Für die Anwendung der Norm ist es ausreichend, wenn
- entweder der Satzungssitz
- oder aber der Ort der Geschäftsleitung
in das Ausland verlegt wird.
Die Verlegung in einen anderen Staat setzt nicht voraus, dass die Gesellschaft zuvor ihren Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung in Deutschland hatte (Schneider in K/S/M, § 17 EStG Rz F 12, 282. EL; Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, § 17 EStG Rz 355 (April 2021)), s dazu auch das folgende Bsp (s Rn 397).
a) Verlegung des Sitzes
Rn. 397
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Nach § 11 AO befindet sich der Ort als Sitz der Gesellschaft dort, wo er durch das Gesetz, den Gesellschaftsvertrag, die Satzung oder das Stiftungsgeschäft bestimmt ist. Steuerrechtlich bindet sich der Begriff des Sitzes also an das Gesellschaftsrecht.
Hierbei muss zwischen statutarischem Sitz (Ort laut Satzung) und Verwaltungssitz (Ort der Hauptgeschäftsleitung) differenziert werden (Rosner, NWB 2016, 2726). Sofern im Gesellschaftsvertrag ein inländischer Ort als Sitz bestimmt ist, reicht dies für eine unbeschränkte StPfl aus, auch wenn davon abgesehen keine weiteren Beziehungen zum Inland unterhalten werden.
Beispiel (in Anlehnung an Benecke, NWB 2007, 3325, 3328):
Der unbeschränkt StPfl A ist alleiniger Gesellschafter der A-Ltd. Der statutarische Sitz sowie der Ort der Geschäftsleitung der A-Ltd befindet sich in Südafrika. Der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung der A-Ltd werden von Südafrika nach Indien verlegt.
Lösung:
Ursprünglich hatte Deutschland ein ausschließliches Besteuerungsrecht, da Art 11 Abs 2 DBA-Südafrika dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das ausschließliche Besteuerungsrecht zuweist. Aufgrund des Wegzugs der A-Ltd nach Indien ist dies jedoch nicht mehr der Fall, da gemäß Art 17 Abs 4 DBA-Indien der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft...