a) Allgemeines
aa) Begriff
Rn. 32
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Der Begriff der Nebentätigkeit ist im Gesetz nicht enthalten. Er bezeichnet eine neben der Haupttätigkeit ausgeübte, ggf untergeordnete Tätigkeit iS einer persönlichen selbstständigen oder nichtselbstständigen Dienstleistung (zur Abgrenzung von einer weiteren Haupttätigkeit vgl Nds FG EFG 2021, 191, Rev VIII R 29/20). Die Nebentätigkeit kann, muss aber nicht mit der Haupttätigkeit in mehr oder weniger festem Zusammenhang stehen. Das ist der Fall, wenn Haupt- und Nebentätigkeit gleichartig sind und unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen stattfinden (vgl BFH BStBl II 2001, 496, zur Abgrenzung von nichtselbstständiger und gewerblicher Tätigkeit).
Aus der Art der Haupttätigkeit allein können indes keine Schlüsse auf die Art der Einkünfte aus der Nebentätigkeit gezogen werden (BFH BStBl II 1985, 51; 2015, 903 zum Unternehmerrisiko).
ab) Grundsatz
Rn. 33
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Einkünfte aus Nebentätigkeit oder aus einer Aushilfstätigkeit sind grundsätzlich nach den allg Abgrenzungskriterien derjenigen Einkunftsart zuzurechnen, zu der sie gehörten, würde die Nebentätigkeit allein und ohne Zusammenhang mit einer Haupttätigkeit ausgeübt (BFH BStBl II 1976, 291; 1979, 414). Die Art der Haupttätigkeit ist nach st Rspr des BFH für die Beurteilung jedoch dann bedeutsam, wenn beide Tätigkeiten unmittelbar zusammenhängen; dh wenn die Nebentätigkeit gegenüber dem Auftraggeber/ArbG der Haupttätigkeit erfolgt und denselben organisatorischen Bedingungen unterliegt wie die Haupttätigkeit; dasselbe Wissensgebiet allein genügt nicht (s auch BFH BStBl II 1972, 212; 1972, 213; 1972, 214; 1976, 291; 1980, 321; 1987, 783; 1995, 346). Die in der älteren Rspr vertretene Abfärbe- oder Ausflusstheorie (RFH RStBl 1934, 679; BFH BStBl III 1955, 153) hat der BFH zu Recht aufgegeben (BFH BStBl II 1979, 414). Sie entsprach nicht dem oben angegebenen Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nach Einkunftsarten.
Auch der Gedanke des unmittelbaren Zusammenhangs wirft jedoch Zweifel auf, weil sich dahinter die Zusammenfassung getrennt zu beurteilender Tätigkeiten verbergen kann. In Betracht kommen kann eine zusammenfassende Beurteilung mE nur dann, wenn die "Nebentätigkeit" zwingend – zB als ArbN-Verpflichtung – aus der Haupttätigkeit folgt (vgl BFH BStBl II 2006, 94, Oberarzt). Ist das nicht der Fall, dann sind die Einkünfte getrennt zu beurteilen (vgl BFH BStBl II 1968, 455; 1972, 213; 1977, 31) – womit freilich das Ergebnis nicht vorweggenommen ist (s Rn 38).
Rn. 34–35
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
vorläufig frei
b) Nebentätigkeit von Selbstständigen
ba) Allgemeines
Rn. 36
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Übernimmt ein bereits selbstständig Tätiger eine Nebentätigkeit auf dem Gebiet seines Hauptberufs, so wird idR eine selbstständige Nebentätigkeit vorliegen. Das muss jedoch nicht so sein.
bb) Insbesondere Ärzte
Rn. 37
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die Tätigkeit eines sonst selbstständigen Arztes beim Arbeitsamt ist wegen seiner Eingliederung dort in Übereinstimmung mit dem oben angegebenen Grundsatz eine nichtselbstständige Tätigkeit (FG SchlH EFG 1957, 294); ebenso die zivilen Musterungsärzte der Bundeswehr (StEK EStG § 19 R 49). Anderes gilt nach der Rspr mE für die Knappschaftsärzte mit eigener Praxis trotz verschiedener für Nichtselbstständigkeit sprechender Umstände wie Versorgung, Bindung im Hinblick auf Ort und Lage der Praxis (BFH BStBl III 1959, 344; R 18.1 EStR 2012) sowie für die Ruhrknappschaftsärzte (BFH BStBl III 1960, 88). Selbstständigkeit – wird insofern zutreffend – auch bejaht für einen Gefängnisarzt mit freiberuflicher Facharztpraxis (FG Münster DStZE 1960, 303); ebenso – allerdings fraglich – für hauptamtlich tätige Vertragsärzte bei Justizvollzugsanstalten mangels Eingliederung (OFD Münster StEK EStG § 18 Nr 92).
Rn. 38
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Für Ärzte mit vertraglichen Bindungen zu Krankenhäusern gilt nach der Rspr Folgendes:
Hat der Arzt eine eigene Praxis und ist er derart als Krankenhausarzt tätig, dass er für die Behandlung bestimmter Patienten eine eigene Liquidationsbefugnis hat, so liegt insgesamt eine selbstständige Tätigkeit vor; erhält er in diesem Fall für die Kassenpatienten und die allg Krankenpflege eine feste Vergütung, so kommt es auf die Regelung im einzelnen Fall an, ob insoweit eine freiberufliche oder ArbN-Tätigkeit gegeben ist.
Hat der Krankenhausarzt keine eigene Praxis, erhält er eine feste Vergütung, ist er aber sonst in den Organismus des Krankenhauses nicht eingegliedert, übernimmt er vielmehr lediglich die Führung und Überwachung der gesamten Krankenfürsorge, ggf auch die Behandlung der Kassenpatienten, wofür ihm Operationssaal, Instrumente usw zur Verfügung gestellt werden, dann kann unter Umständen ein Dienstvertrag nicht beabsichtigt sein, so dass im ganzen Umfange eine freiberufliche Tätigkeit vorliegen kann. Die vertragliche Gestaltung kann jedoch auch für eine unselbstständige Tätigkeit sprechen (s Rn 45), wenn ein festes Anstellungsverhältnis besteht, durch das der Krankenhausarzt wie ein sonstiger ArbN in den Betrieb des Krankenhauses...