Rn. 511
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Anders als bei den den gewerblichen Unternehmen zuzurechnenden Geschäftswerten hat die Rspr bei den sog Praxiswerten freiberuflicher Praxis schon immer AfA auf die AK zugelassen. Der derivativ erworbene Praxiswert stellte ein abnutzbares immaterielles WG dar (RFH RStBl 1929, 326; 1938, 955; BFH BStBl III 1958, 330; BStBl II 1975, 381; 1982, 620; 1991, 595; 1994, 590; BFH/NV 2011, 1345 mwN). Der Unterschied zum gewerblichen Geschäftswert wurde damit begründet, dass der Wert einer freiberuflichen Praxis im Wesentlichen auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber beruht, das nach dessen Ausscheiden zwangsläufig endet, mit der Folge, dass sich der Praxiswert verhältnismäßig rasch verflüchtigt. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer wurde von der Rspr zwischen 3–5 Jahren angesetzt.
Wurde ein Sozius in die Praxis aufgenommen, sah dies der BFH eher als förderlich an, sodass nicht gefolgert werden könne, der Praxiswert verflüchtige sich wegen der Bildung einer Sozietät (BFH BStBl II 1975, 381; 1982, 620; BFH/NV 1985, 31).
Rn. 511a
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Nach In-Kraft-Treten des BiRiLiG 1986 hat sich an der bisherigen Praxis nichts geändert (betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Praxiswerts weiterhin zwischen 3 und 5 Jahren;). Die Rspr sieht § 7 Abs 1 S 3 EStG, wonach als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts ein Zeitraum von 15 Jahren gilt, nach dem Wortlaut und angesichts der beschriebenen Wesensverschiedenheit zwischen Praxiswerts und Geschäftswert als nicht auf den Praxiswert anwendbar an (BFH BStBl II 1994, 449; BFH/NV 1995, 385; hierzu BMF BStBl I 1995, 14). Die Anerkennung eines sich verhältnismäßig rasch verflüchtigenden Praxiswertes beruht auf den Besonderheiten freiberuflicher Tätigkeit.
Rn. 512
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Für den Sozietätspraxiswert ist maßgebend, dass mit dem BiRiLiG zugleich die früher von der Rspr vertretene sog Einheitstheorie, wonach der erworbene und der vom Erwerber selbst geschaffene Geschäfts- oder Firmenwert als einheitliches WG zu behandeln sei, aufgegeben worden ist. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines derivativ erworbenen Sozietäts-Praxiswertes ist nunmehr doppelt so lang wie die Nutzungsdauer des Wertes einer erworbenen Einzelpraxis dauert, und beträgt zwischen 6–10 Jahre (BFH BStBl II 1994, 590; BFH/NV 1995, 385; 1997, 751; 1998, 1467; Korn, KÖSDI 1986, 6243, 6244; Zeitler, DStR 1988, 303).
Der BFH vertritt seither die Auffassung, dass der anlässlich der Gründung einer Sozietät aufgedeckte Praxiswert ein abnutzbares WG darstellt. Der neu eintretende Sozius kann von dem vorhandenen Mandanten- oder Patientenstamm lediglich insoweit profitieren, als er eine Chance erhalte, ein Vertrauensverhältnis zu diesem Personenkreis aufzubauen. Diese Chance verflüchtige sich im Laufe der Zeit grds in gleicher Weise wie bei dem Erwerber einer Einzelpraxis, bleibe aber durch die weitere Mitwirkung des bisherigen Inhabers der Einzelpraxis länger erhalten als bei einem Inhaberwechsel (vgl BFH BStBl II 2016, 596). Die FinVerw ist dem gefolgt (BMF BStBl I 1998, 268).
Der Beginn des Abschreibungszeitraums eines Praxiswertes durch den Mitgesellschafter bei Einbringung einer Einzelpraxis in eine Sozietät ist der Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung (FG Mchn EFG 2000, 349 rkr).
Rn. 513
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Auch eine Übertragung des Praxiswerts auf eine StB-GmbH ist möglich. Für die Bemessung der Nutzungsdauer kann es von Bedeutung sein, dass der Übertragende eine herausgehobene Position in der Gesellschaft einnimmt (BFH BStBl II 1994, 903). Die GmbH erwirbt dadurch ein abnutzbares und abschreibungsfähiges WG. Die Übertragung kann freilich – anders als der Mandantenstamm (vgl BFH BStBl II 1997, 546; BFH/NV 1990, 442; zu Gestaltungsmöglichkeiten s Rechenberg, INF 1997, 717) – nicht isoliert, sondern nur zusammen mit der Praxis erfolgen (BFH BStBl II 1994, 903); dies sei nur möglich, wenn vom Fortbestehen der Einzelpraxis als solcher und davon auszugehen sei, dass die GmbH fremde Mandanten betreue (ferner BFH BFH/NV 1997, 438). Die FinVerw (H 5.5 EStH 2020 "Geschäfts- oder Firmenwert/Praxiswert") wendet diese Rspr gleichfalls an. Zur Verpachtung eines Praxiswertes bzw Mandantenstammes BFH BStBl II 1993, 36; 1997, 546; BFH/NV 2011, 1135.
Erhält der Freiberufler freilich keine Zahlungen für einen Praxiswert oder einen Mandantenstamm, sondern für seine höchstpersönliche Arbeitsleistung und Schaffenskraft, so fehlt es an einem einlagefähigen WG (BFH BStBl II 1994, 903).
Rn. 514
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Wird der Praxiswert auf eine Sozietät übertragen, deren Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren sind, weil ein Berufsfremder an der Sozietät beteiligt ist, verwandelt sich der Praxiswert in einen Geschäftswert (BFH BStBl II 1994, 922; Anmmerkung von Kempermann, FR 1994, 687; BFH BFH/NV 1997, 751; 1998, 1467 ebenso BMF BStBl I 1995, 14). Dennoch verliert er in einem solchen Falle nicht seinen aus der besond...