Rn. 530
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Zu Fortbildungsreisen und ihrer Abgrenzung von den nicht abzugsfähigen Aufwendungen der privaten Lebensführung nach § 12 Nr 1 EStG vgl grundlegend BFH BStBl II 1979, 213; Aufwendungen für Informations- und Kongressreisen gehören dann zu den abziehbaren BA, wenn sie auf die spezifischen beruflichen Belange der Teilnehmer ausgerichtet sind und eine private Mitveranlassung nach der Programmgestaltung und nach dem tatsächlichen Ablauf nahezu ausgeschlossen ist; Aufwendungen für die Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken sind keine BA; abgelehnt für die Teilnahme an einem von einem Ärzteverband zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" veranstalteten Fortbildungslehrgang im Ausland (BFH BStBl II 1990, 736; 1990, 134): abziehbar sind lediglich die von der Lebensführung abgrenzbaren Aufwendungen wie die Teilnehmergebühr für die berufsbezogene Fachvortragsveranstaltung oder für Lehr- und Lernmittel; BFH BStBl II 1989, 19 betreffend Fach-Symposium auf einem Passagierschiff: außer der Seminargebühr kein Abzug weiterer BA; BFH BStBl II 1992, 898: Erholungsurlaub am Tagungsort unmittelbar vor Beginn der Tagung; zur Teilnahme an einem RA-Kongress BFH BFH/NV 1994, 782; 1977, 54 zur Reise eines Arztes zu einem Fachkongress in Japan; zum Besuch von Ärztekongressen im Ausland und die Anforderungen an die berufliche Veranlassung vgl auch BFH BStBl II 1977, 829. Zu den neueren Entwicklungen bei Sprachreisen BFH BStBl II 2002, 579; 2003, 765; BFH/NV 2005, 42; 2005, 1544; 2006, 721.
Hält der StPfl selber einen Fachvortrag, so indiziert das regelmäßig die berufliche Veranlassung der Kongressreise. Freilich ist auch dieser Schluss nicht stets zwingend (BFH BStBl II 1997, 357 zur Abgrenzung zu BFH BStBl II 1979, 213; BFH/NV 1998, 157; kritisch Gosch, StBp 1997, 110).
Kosten für eine Auslandsreise, die ersichtlich ausschließlich und unmittelbar beruflich veranlasst ist, wie zB der Besuch eines Geschäftsfreundes, sind grds als BA berücksichtigungsfähig. Zur Reise einer Kunstmalerin vgl BFH BStBl II 1987, 208; zur Auslands-/Informationsreise einer nebenberuflichen und bis dato jahrelang nicht produktiven "Schriftstellerin" s BFH BFH/NV 2012, 1973.
Rn. 531
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Die zutreffende steuerrechtliche Einordnung von bestimmten Auslandsreisen (Informations-, Kongress-, Sprachreisen uÄ) in das EU-Ausland hat der EuGH (EuGH DStRE 2000, 114; FR 1999, 1386) unter erheblicher Strapazierung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit des Art 59 EGV bzw Art 49 EG (auch mittelbare nachteilige Reflexe auf Anbieter im Ausland sind schädlich) deutlich erschwert (hierzu Albert, FR 2000, 316; Urban, INF 2000, 555). Die Wirksamkeit der Steuerkontrolle rechtfertige es nicht, dass der Staat den Abzug der jeweiligen Aufwendungen von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig mache je nachdem, ob die Veranstaltung in diesem Staat oder in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet – was mE in dieser vordergründigen Weise ohnehin nicht der Fall ist. Denn bisher war die Wahl des ausländischen Veranstaltungsorts lediglich ein Indiz für die private Veranlassung (zB BFH BStBl II 1980, 746; 1991, 904) – als Aspekt des touristischen Interesses an der Reise, das auch bei einem inländischen Veranstaltungsort den Abzug verbot (Sylt oder Garmisch konnten genauso schädlich sein wie die Côte d´Azur). Man lese (und verstehe) ferner BFH BStBl II 1993, 787; BFH/NV 1998, 851 auf diesen inneren Zusammenhang hin, der die Kohärenz des deutschen Steuersystems betrifft, dem EuGH möglicherweise aber entgangen ist (missverständlich und missverstehend auch BMF BStBl I 2003, 447, der von einer "Vermutung" spricht).
Rn. 532
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
Trotz der Fragwürdigkeit dieser Auslegung hat der BFH (BFH BStBl II 2003, 765) zum Rückzug geblasen und Kosten für einen ausländischen Sprachkurs trotz eklatanter Anhaltspunkte für die Befriedigung auch privater Interessen (Grundkurs! im Sommer! in Paris! Nachmittage frei! Exkursion am Samstag!) anerkannt. Interessant in diesem Zusammenhang ist für gestaltungsfreudige Auslandsreisende der Umgang mit den oben angegebenen Indizien für eine private (Mit-)Veranlassung: sie werden je isoliert betrachtet und in ihrer Aussagekraft mit zT schwindelerregenden Vermutungen "entkräftet" (zB der freie Nachmittag könne ja darauf beruhen, dass der Kurs im Sommer stattgefunden habe – ach so!). Bildungsreisende mit Ziel EU-Ausland brauchen sich künftig erheblich weniger steuerrechtliche Sorgen zu machen (vgl auch BMF BStBl I 2003, 447).
Im Übrigen zu den Reise- und Tagungskosten s Erläut zu §§ 4, 5 (Nacke); s Erläut zu § 9 (Teller) und s Erläut zu § 12 (Wienbergen). Zu gemischt veranlassten Aufwendungen, der neuen Rspr und Verwaltungsauffassung ausführlich s § 12 Rn 126ff (Wienbergen).
Rn. 533–539
Stand: EL 156 – ET: 02/2022
vorläufig frei