Rn. 89
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Werden überwiegend einfache, zB manuelle Arbeiten ohne hohe Berufsqualifikation ausgeführt, wirkt sich das Weisungsrecht wegen des geringen verbleibenden eigenen Gestaltungsspielraumes stärker aus, sodass regelmäßig Nichtselbstständigkeit anzunehmen ist. Das ist beispielsweise bei Reinemachefrauen der Fall, s BFH BStBl II 1975, 297; FG BdW EFG 1979, 238. Ebenfalls ArbN sind regelmäßig
- Mitarbeiter eines Bewachungsunternehmens, BFH HFR 1962, 137;
- Kraftfahrer eines Eilbotendienstes, BFH HFR 1964, 87;
- Automatenbetreuer, FG Nbg EFG 1977, 555;
- Verteiler von Wurfsendungen, BFH vom 21.11.1980, VI S 4/80 nv; ebenso BSG BlStA 1979, 329 zur Verteilung von Anzeigenblättern unter laufender Kontrolle;
- zu "Ortsagenten" des Zeitschriftenhandels BSG BlStA 1982, 13;
- Aushilfsfahrer auf Baufahrzeugen, FG Ha EFG 1984, 47 rkr.
Zu Schwarzarbeitern s Rn 47.
Rn. 90
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Bei derartigen einfachen Arbeiten ist Nichtselbstständigkeit auch bei nur tage- oder stundenweiser Beschäftigung, also bei Gelegenheitsarbeitern, gegeben. Von dieser Einordnung geht auch § 40a EStG für Teilzeitbeschäftigte aus; s Aushilfen eines Kohlehandels, BFH BStBl III 1962, 37, einer Großmarktspedition, BFH BStBl II 1974, 301; Ferienhelfer eines Wohlfahrtsverbandes, BFH BStBl II 1976, 134. Voraussetzung ist allerdings, dass jemand nicht nur mit einem bestimmten Einzelauftrag betreut wird, s BFH BStBl II 1979, 326 hinsichtlich eines gewerblichen Fensterputzers als Haushaltshilfe.
Rn. 91
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Umgekehrt liegt bei qualifizierter, zB wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit die Annahme von Selbstständigkeit näher, sofern nicht hinzukommende Umstände wie etwa eine starke organisatorische Eingliederung für ArbN-Eigenschaft sprechen. Einzelheiten s § 18 Rn 28ff (Güroff), insbesondere zu Ärzten s § 18 Rn 37 (Güroff); zu Vertretungen s § 15 Rn 120 (Bitz), s § 18 Rn 39 (Güroff); zu Prüfern s § 18 Rn 46 (Güroff); Gutachtern s § 18 Rn 49 (Güroff); Vortragenden s § 18 Rn 51 (Güroff); Unterrichtenden s § 18 Rn 52 (Güroff); Künstlern s § 18 Rn 57 (Güroff); Gastspieler s § 18 Rn 61 (Güroff).
Rn. 92
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Gleiches gilt bei anderen qualifizierten Leistungen, die besondere persönliche Fähigkeiten oder Kenntnisse voraussetzen. In diesen Fällen gewinnt die Zahl der Auftraggeber bzw die Dauer des Einsatzes für einen Auftraggeber an Bedeutung. So wurde ein Berufsfotomodell, das von Fall zu Fall und vorübergehend zu Aufnahmen herangezogen wurde, als selbstständig eingestuft, s BFH BStBl III 1962, 183; 1967, 618; FG Nbg EFG 1977, 213.
Bei Mannequins, die nicht ständig nur für ein Haus tätig sind und schon deshalb prima facie nichtselbstständig sind, die vielmehr von Fall zu Fall mehr oder weniger kurzfristig bei Messen oder Modeschauen für verschiedene Firmen auftreten, wird auf die Umstände des Falles, nicht auf die Dauer der Tätigkeit abgehoben, s FG Bln EFG 1968, 64, ArbN bei Beschäftigung über mehrere Tage; FG D'dorf EFG 1964, 555, selbstständig bei gelegentlichem Auftritt in einem Kaufhaus.
Auch der BFH geht von Grenzfällen aus (BFH BStBl II 1969, 71) und misst der steuerlichen Handhabung der Betroffenen Bedeutung bei. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass die steuerliche Behandlung in Grenzfällen den Beteiligten zur Disposition gestellt sei. Die steuerlichen Folgen richten sich vielmehr nach den vertraglichen und tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach der steuerrechtlichen Beurteilung eines Beteiligten.
Propagandisten (Werbedamen), die in Supermärkten und Kaufhäusern besondere Werbeaktionen mit Verkauf, insbesondere von Getränken durchführen, können selbstständig sein, wenn die Berührung mit dem Betrieb des Auftraggebers verhältnismäßig kurz ist, s BFH BStBl II 1975, 661, s auch FG Münster EFG 1980, 311; OFD Saarbrücken StEK EStG § 19 Nr 69; BSG BlStA 1979, 206. Ärztepropagandisten sind heute regelmäßig ArbN mit – neben Reisekostenersatz – festen Bezügen, Berichtspflicht, Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw, s BFH DB 1957, 523; bei Tätigkeit für mehrere pharmazeutische Firmen nimmt der BFH gewerbliche Tätigkeit an: s BFH BStBl III 1961, 315 und H 15.6 EStH 2021.
Ein Reiseleiter ist wegen des vom Reiseunternehmen vorgegebenen Reiseprogramms nichtselbstständig tätig, s BSG BB 1983, 1731.
Tutoren erhalten von der Universitätskasse monatlich gleichbleibende Zahlungen als Entgelt dafür, dass sie jungen Studenten mit Rat und Tat zur Seite stehen und nach eigenen Vorstellungen ein "Tutorenprogramm" erstellen, mit dem der Bildungsauftrag der Hochschule gegenüber den Bewohnern eines Studentenheims erfüllt werden soll. Der BFH hielt die Einnahmen wegen der Tatsache, dass der Tutor sowohl bei der Gestaltung seiner Tätigkeit nach Art, Zeit und Ort wie bei der Auswahl der Gegenstände und Themen, durch die er seinen Beitrag erbringt, völlig freie Hand habe, nicht für solche aus nichtselbstständiger Arbeit, s BFH BStBl II 1972, 738, zweifelnd Nissen, DStZ 1973, 23; nach...