Markus Fahsel, Maik Bergan
A. Hintergrund und Rechtsentwicklung der Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
§ 19a EStG wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG) v 03.06.2021 (BGBl I 2021, 1498) – s vor § 1 Rn 250 (Bitz) – eingeführt. Die Regelung dient der Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen von kleinen und mittelständischen (KMU), jungen Unternehmen (Startup-Unternehmen), die bestimmte Größen- und Altersschwellen nicht überschreiten. Nach § 19a Abs 1 S 1 EStG unterliegt der Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des ArbG im Kj der Übertragung nicht der Besteuerung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt (§ 19a Abs 4 EStG), idR bei Veräußerung, spätestens nach zwölf Jahren oder bei einem ArbG-Wechsel. Zweck ist die Vermeidung eines LSt-Abzugs ohne dass liquide Mittel zugeflossen sind ("dry income"), BT-Drucks 19/27631, 109. Dadurch soll die Mitarbeitergewinnung gefördert und die Mitarbeiterbindung gestärkt werden. Die Regelung soll zugleich die Startup Unternehmen unterstützen, welche in der Gründungs- und Wachstumsphase regelmäßig finanziell nicht in der Lage sind, hohe Vergütungen zu zahlen.
Der geldwerte Vorteil aus der Gewährung einer Vermögensbeteiligung erfolgt aber sozialversicherungsrechtlich (Entstehungsprinzip) abweichend schon im Hingabezeitpunkt.
Rn. 2
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Die Regelung ist in ihrer zentralen Ausgestaltung neuartig. Die Vorgängerregelung, eingeführt durch das VermögensbeteiligungsG v 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1592), gewährte dem ArbN einen Freibetrag (zuletzt in Höhe von 135 EUR im Kj); da es sich somit im Wesentlichen um eine Regelung mit Steuerbefreiungscharakter handelte, wurde sie folgerichtig iRd Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes v 07.03.2009 (BGBl I 2009, 451) in den Katalog des § 3 EStG überführt (§ 3 Nr 39 EStG), war jedoch gemäß § 52 Abs 35 EStG (idF Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz) bis 2015 weiter anwendbar, s Breinersdorfer, DStR 2009, 453.
Rn. 3–5
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
vorläufig frei
B. Überblick und Systematik der Vorschrift
Rn. 6
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Die Regelung ermöglicht die vorläufige Nichtbesteuerung (Steuerpause) des Arbeitslohns im Falle der durch den ArbG vergünstigten Übertragung von Vermögensbeteiligungen an den ArbN. Dabei besteht (bereits) nach der Übertragung die Verpflichtung des Betriebsstätten-FA, den Vorteil im Rahmen einer Anrufungsauskunft zu bestätigen. Grundlage ist der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung. Die Steuerpause erfolgt ausschließlich iRd LSt-Abzugsverfahrens.
Rn. 7
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Die Besteuerung als Arbeitslohn wird spätestens 12 Jahre nach der Übertragung an den ArbN nachgeholt, sofern dieser die Vermögensbeteiligung nicht vorher überträgt oder sein Dienstverhältnis vorher beendet wird. Die spätere Besteuerung kann im Einzelfall bei Anwendung der sog Fünftelungsregelung erneut begünstigt sein; im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses besteht für den ArbN im Ergebnis sogar die Möglichkeit der abschließenden Steuerentlastung des ursprünglich vergünstigten Erwerbes. Zudem werden zwischenzeitliche Wertverluste steuerlich berücksichtigt.
Rn. 8
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Mit der Regelung in § 19a EStG soll nach Aussage des Gesetzgebers kein Systemwechsel in Bezug auf die Einkunftsart einhergehen, vielmehr wird auf die allgemeinen Grundsätze verwiesen (BT-Drucks 19/27631, 109). Damit setzt § 19a EStG das Vorliegen von Arbeitslohn voraus (Fahsel/Bergan, FR 2021, 729, 731); für die hierfür notwendige Veranlassung durch das Dienstverhältnis stellt die vergünstigte Übertragung ein wichtiges Indiz dar (ua BFH v 04.10.2016, IX R 43/15, BStBl II 2017, 790; BFH v 01.12.2020, VIII R 40/18, BFHE 271, 493), sodass der hieraus resultierende Vorteil regelmäßig – wenn auch nicht zwingend – Arbeitslohn sein dürfte.
Rn. 9
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
Der Regelungscharakter bereitet gewisse Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass die Steuerpause iRd Steuerschuldverhältnisses den materiellen Steueranspruch – trotz Zuflusses – ausschließt, was in der Folge auf den LSt-Abzug (keine eigene Steuerart, ua BFH v 14.11.2013, VI R 49/12, BFHE 243, 524) durchgreift. Hierauf deutet der Wortlaut (§ 19 Abs 4 S 1 EStG: "unterliegt erst dann der Besteuerung nach § 19 EStG und dem LSt-Abzug"), Möllmann/Zantopp, DStR 2020, 2817, 2819; Hamacher/Jeuckens, NWB 2021, 967, 967, die jeweils von einer gesetzlichen Fiktion der Nichtsteuerbarkeit ausgehen). Im Rahmen seines Anwendungsbereiches modifiziert § 19a EStG somit den gesetzlichen Tatbestand (§ 38 AO) hinsichtlich des Besteuerungszeitpunktes um (Westermann in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, § 19a EStG Rz 1 (Aktualisierung v 11.07.2021).
Dieser Ansatz ist nicht frei von Zweifeln. So erscheint es nicht konsequent, am materiellen Steueranspruch anzusetzen, dessen Umsetzung d...