a) Allgemeines
Rn. 47
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Art 3 Abs 1 GG verlangt, dass die StPfl durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden (BVerfG 2 BvR 2392/97, NJW 2008, 3205). Die Gleichheit der Besteuerung setzt sich somit nach BVerfG BStBl II 1991, 654 (ebenso BVerfG 2 BvR 2392/97, NJW 2008, 3205) aus zwei Komponenten zusammen:
- Gleichheit der normativen StPfl einerseits und
- Gleichheit bei deren Durchsetzung andererseits.
In dieser Entscheidung von 1991 setzt sich das BVerfG mit der (Nicht-)Besteuerung von Kapitaleinkünften auseinander. Bloße Vollzugsmängel bei der Steuererhebung seien noch nicht verfassungswidrig. Art 3 Abs 1 GG werde jedoch verletzt, wenn sich eine Erhebungsregelung gegenüber einem Besteuerungstatbestand derart gegenläufig auswirke, dass der Besteuerungstatbestand weitgehend nicht durchgesetzt werden könne. Eine Steuerbelastung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft der StPfl beruhe, weil Erhebungsregelungen (gemeint waren der sog Bankenerlass, BMF v 31.08.1979, BStBl I 1979, 590 sowie sein Nachfolger, der ab 03.08.1988 in Kraft getretene § 30a AO) Kontrollen der Steuererklärungen weitgehend ausschließen, treffe nicht mehr alle und verfehle damit die steuerliche Lastengleichheit.
b) VZ 1981–1998
Rn. 47a
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Jedenfalls seit 1981 bejahte das BVerfG (BVerfGE 110, 94 = BStBl II 2005, 56) Vollzugsdefizite bei der Besteuerung privater Kapitaleinkünfte. Das Gericht hielt die Regelung damals noch für hinnehmbar, verpflichtete aber den Gesetzgeber, bis spätestens 01.01.1993, diese Vollzugsdefizite zu beseitigen. Andernfalls würden die materiellrechtlichen Steuernormen selbst verfassungswidrig. Ob die Neuregelung der Besteuerung privater Kapitaleinkünfte durch das ZinsabschlagG (v 09.11.1992, BStBl I 1992, 682) diesen Vorgaben entsprach, war zunächst zweifelhaft.
Rn. 47b
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Infolge strukturellen Erhebungsdefizits (= Vollzugsdefizits) war aber die Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren (§ 22 Nr 2, § 23 Abs 1 Nr 1 Buchst b EStG aF) für die VZ 1997 und 1998 (danach nicht mehr!) verfassungswidrig, da mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) unvereinbar (BVerfGE 110, 94).
c) VZ 1999 und ff
Rn. 47c
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Im Umkehrschluss folgt aus s Rn 47a, dass seit VZ 1999, selbst wenn noch Vollzugsdefizite bestehen sollten, diese nicht mehr zur Verfassungswidrigkeit führen (ebenso BVerfG 2 BvR 294/06, DStR 2008, 197 für den VZ 1999).
Für den VZ 2002 erklärte das BVerfG daher konsequent ebenfalls die Besteuerung privater Spekulationsgewinne nach § 23 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG für mit dem GG vereinbar (BVerfG 2 BvR 2392/07, NJW 2008, 3205) und verwies ua auf das seit 01.04.2005 eingeführte Kontenabrufverfahren.
Durch Einführung der AbgSt ab VZ 2009 hat sich die Rechtslage sowieso wieder verändert.