Rn. 135
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Einkünfte aus VuV sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht und dadurch Einkünfte erzielt (BFH BStBl II 1987, 322; Nießbrauchs-Erlass BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184 Rz 1), dh, wer die rechtliche und tatsächliche Macht hat, die in § 21 Abs 1 EStG genannten WG einem anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen (BFH BStBl II 1986, 605; BFH/NV 2004, 1075) bzw wer Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters ist (BFH BStBl II 1992, 506; Nießbrauchs-Erlass BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184 Rz 1. Diese Definition stimmt mit der oben genannten (s Rn 134) bei den Einkünften aus KapVerm überein. Dazu s § 21 Rn 106ff (Nacke).
Dies bedeutet: Bestellen Eltern ihren minderjährigen Kindern den Nießbrauch an einem Grundstück, sind die Einkünfte den Kindern zuzurechnen, wenn ua zu ihren Gunsten ein zivilrechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet wurde, ein bloß obligatorisches Nutzungsrecht genügt ebenfalls (BFH BStBl II 1984, 366; 1986, 605; überholt BFH BStBl II 1969, 706). Zivilrechtliche Wirksamkeit bedeutet ua: Bei minderjährigen Kindern als Nießbrauchsberechtigte ist wegen §§ 1629 Abs 2, 1795 Abs 1 Nr 1 BGB idR ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) zu bestellen (BFH BStBl II 1981, 297; Nießbrauchs-Erlass BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184 Rz 4, 5). Das sollte nach BFH BStBl II 1995, 506 auch gelten, wenn das Vormundschaftsgericht die Bestellung des Ergänzungspflegers für nicht erforderlich hielt, was mE die Anforderungen überspannte (zutreffend daher Nießbrauchs-Erlass BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184 Rz 5: Ergänzungspfleger in diesem Fall nicht nötig; Kulosa in Schmidt, § 21 EStG Rz 84, 40. Aufl 2021 für Mietverträge).
Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft während der gesamten Dauer des Nießbrauchs ist aber nicht nötig, nur für den Zeitpunkt der Bestellung ist sie erforderlich (BFH BStBl II 1981, 295; Nießbrauchs-Erlass BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184 Rz 4).
Rn. 135a
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Ein Nießbrauch unter Widerrufsvorbehalt oder Befristung ist nur dann schädlich, wenn darin ein Eingriff in die Dispositionsbefugnis des Nießbrauchsberechtigten zu sehen ist (BFH BFH/NV 2004, 1079).
Rn. 136
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Der Nießbrauch kann ausgestaltet sein als (BFH BStBl II 1981, 299; s § 21 Rn 122 (Nacke)):
Netto-Nießbrauch |
Brutto-Nießbrauch |
Dh, Nießbrauchsberechtigter trägt die ihm nach §§ 1041, 1047 BGB obliegenden Lasten und Kosten |
Dh, Nießbrauchsbesteller trägt die nach §§ 1041, 1047 BGB dem Nießbrauchsberechtigten obliegenden Lasten und Kosten |
Nach FG BdW EFG 1984, 177 rkr führt ein sog Sicherungsnießbrauch (Nießbrauch als Sicherungsmittel) nicht zur Einkünfteverlagerung – mE zutreffend (glA Nießbrauchs-Erlass BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184 Rz 9).
Rn. 137
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Außerdem müssen die minderjährigen Kinder Vermieter oder Verpächter sein (BFH BFH/NV 2004, 1079). Dies bedeutet: Bei Vermietung des Grundstücks bereits vor der Nießbrauchsbestellung werden die Kinder kraft Gesetzes (§§ 1056 Abs 1, 571, 577 BGB) Vermieter oder Verpächter. Nach BFH BStBl II 1981, 295 ist aber eine Anzeige = Offenlegung an den Mieter/Pächter erforderlich, da die Kinder erkennbar nach außen hin als Vermieter/Verpächter auftreten müssen (ebenso FG BdW EFG 1992, 195 rkr). Bei obligatorischen Nutzungsrechten greift § 566 BGB nicht, dh, der Nutzungsberechtigte wird nur mit Zustimmung des Mieters (Vertragsübernahme, § 311 BGB) Vermieter. Erfolgt die Vermietung des Grundstücks nach erfolgter Nießbrauchsbestellung, müssen die gesetzlichen Vertreter im Namen der Kinder den Miet-/Pachtvertrag abschließen (BFH BStBl II 1991, 295).
Rn. 138
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Sind danach die Einkünfte aus VuV dem Nießbraucher zuzurechnen, kann er grds alle Aufwendungen als WK geltend machen, die er kraft Gesetzes (zB §§ 1041, 1045, 1047 BGB) oder Vertrages zu tragen hat (s BFH BFH/NV 1993, 594). Wichtige Ausnahme aber: Beim unentgeltlich eingeräumten Zuwendungsnießbrauch können weder Nießbraucher oder Grundstückseigentümer die AfA auf das Gebäude vornehmen (Nießbrauchs-Erlass BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1184 Rz 19, 24) – dies spricht gestalterisch idR gegen diese Konstruktion. Ferner s § 21 Rn 132 (Nacke).
Rn. 139
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Die Nießbrauchsbestellung kann also folgende Konsequenzen haben:
(1) |
steuerliche Irrelevanz (zB beim sog Sicherungsnießbrauch, s Rn 136). |
(2) |
Einkünfteverlagerung, s Rn 131ff. |
(3) |
Verdoppelung des Einkünfteerzielungstatbestands: Bestellt der Grundstückseigentümer den Nießbrauch entgeltlich, erzielen Nießbrauchsbesteller und Nießbrauchsberechtigter Einkünfte aus VuV. Der Nießbrauchsbesteller hat Einkünfte aus VuV iSd § 21 Abs 1 Nr 1 EStG Fall 1 (BFH BStBl II 1979, 332); der Nießbrauchsberechtigte, der das Objekt vermietet, erzielt seinerseits wie ein Untervermieter Einkünfte aus VuV iSd § 21 Abs 1 Nr 1 EStG Fall 1. |
Zur AfA-Befugnis bei Zuwendungs- und Vorbehaltsnießbrauch s Nießbrauchs-Erlass ...