Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 720
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
§ 20 Abs 1 Nr 9 EStG schafft für Vermögensübertragungen an "Anteilseigner" von Körperschaften iSv § 1 Abs 1 Nr 3–5 KStG einen Einkommensteuertatbestand. Bei diesen Körperschaften gibt es grds keine Ausschüttung an Anteilseigner oder Mitglieder. Gleichwohl kommt es auch bei diesen Körperschaften zu Vermögensübertragungen an die "hinter diesen Gesellschaften stehenden" Personen. Diese Vermögensübertragungen sind wirtschaftlich gesehen mit Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs 1 Nr 1 EStG vergleichbar (s BT-Drucks 14/2683, 114).
a) Zeitliche Anwendung für die AbgSt
Rn. 721
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Ab dem 01.01.2009 zufließende stpfl KapErtr werden mit dem AbgSt-Satz besteuert.
b) KapSt-Einbehalt und Besteuerungsgrundsätze
Rn. 722
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Auf Leistungen iSv § 20 Abs 1 Nr 9 EStG wird eine 25 %ige KapSt erhoben (§ 43 Abs 1 S 1 Nr 7a EStG iVm § 43a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG), soweit es sich um inländische KapErtr handelt. Eine Freistellung von der AbgSt scheitert am klaren Wortlaut des § 44a Abs 1 EStG, der sich nicht auf § 43 Abs 1 S 1 Nr 7a EStG bezieht.
Der Einbehalt der KapESt hat gemäß § 43 Abs 5 S 1 EStG grds abgeltende Wirkung. Befindet sich der Anteil an der Gesellschaft in einem BV, so entfällt die abgeltende Wirkung und es findet wegen § 43 Abs 5 S 2 EStG auf der Ebene des Begünstigten das Teileinkünftverfahren nach § 3 Nr 40 S 1 Buchst a o Buchst d EStG iVm § 3 Nr 40 S 2 EStG Anwendung. Auch findet unter den Voraussetzungen des § 8b KStG das Dividendenprivileg Anwendung.
In Fällen von Leistungen, die einer vGA vergleichbar sind, hat der StPfl mangels tatsächlichen KapSt-Einbehalts gemäß § 32d Abs 3 EStG die KapErtr zu deklarieren, die nach § 32d Abs 1 EStG mit 25 % besteuert werden (dazu s BMF v 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 [Einzelfragen zur AbgSt] Tz 144).
Rn. 723–724
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
vorläufig frei
c) Verhältnis zu anderen Vorschriften
Rn. 725
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
§ 20 Abs 1 Nr 9 EStG ist zum einen subsidiär gegenüber § 20 Abs 1 Nr 1 EStG.
§ 20 Abs 1 Nr 9 EStG steht in Konkurrenz zu § 22 Nr 1 S 2 EStG. Hiernach sind stpfl wiederkehrende Bezüge solche, die von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse außerhalb der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke iSd §§ 52–54 AO gewährt werden und solche iSd § 1 der VO über die Steuerbegünstigung von Stiftungen, die an die Stelle von Familienfideikommissen getreten sind, in der im BGBl, Teil III, Gliederungsnummer 611–4-3, veröffentlichten bereinigten Fassung. In § 22 Nr 1 S 1 EStG ist ausdrücklich die Nachrangigkeit der sonstigen Einkünfte gegenüber den Einkünften aus KapVerm angeordnet.
Fraglich ist, ob Tatbestände denkbar sind, die zwar unter die Vorschrift des § 22 Nr 1 S 2 EStG, nicht aber unter die des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG fallen. Denkbar wären hier zunächst Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach § 5 KStG, aber nicht aufgrund § 5 Abs 1 N 9 KStG (steuerbegünstige Zwecke iSd §§ 51–68 AO) steuerbefreit sind. Jedoch strahlt die gesetzgeberische Grundentscheidung im Zusammenhang mit § 20 Abs 1 Nr 9 EStG, Bezüge aller nach § 5 KStG steuerbefreiten Körperschaften auf der Ebene der Anteilseigner oder Mitglieder steuerfrei zu stellen, auch auf § 22 EStG aus. Was für § 20 Abs 1 Nr 9 EStG gilt, muss demzufolge auch bei § 22 Nr 1 S 2 EStG (bei wiederkehrender Leistung) bzw bei § 22 Nr 3 EStG (bei einmaliger Leistung) gelten. Nach Mues (s § 22 Rn 53) wären weiter denkbare Fälle, wenn Leistungen erbracht werden, die von der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nicht im Rahmen ihres Gesellschafts- oder Stiftungszwecks erwirtschaftet werden oder die wirtschaftlich nicht als Entgelt für die Überlassung von Kapital beurteilt werden können.