Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 1535
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
§ 20 Abs 6 S 6 EStG sieht eine Beschränkung vor für Verluste aus KapVerm aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung oder Übertragung wertloser WG iSd § 20 Abs 1 EStG auf Dritte oder aus einem sonstigen Ausfall von WG iSd § 20 Abs 1 EStG (zB Aktien, Anleihen, Forderungen). Diese Verluste können nur mit Einkünften aus KapVerm bis zur Höhe von EUR 20 000 ausgeglichen werden (durch das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen v 21.12.2019, BGBl I 2019, 2875 von EUR 10 000 auf EUR 20 000 erhöht). Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen und jeweils in Höhe von EUR 20 000 mit Einkünften aus KapVerm verrechnet werden.
Eine Kapitalforderung ist insbesondere uneinbringlich, wenn sich auf Grundlage der Gesamtumstände des Schuldverhältnisses abzeichnet, dass der Schuldner die Verbindlichkeit ganz oder teilweise nicht erfüllen wird. Die Regelung erfasst daher auch Veräußerungstatbestände, die zu Gestaltungszwecken abgewickelt werden, also insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich das Solvenzrisiko bereits ganz oder teilweise realisiert hat. Entsprechendes gilt für sonstige WG iSd § 20 Abs 1 EStG.
Ein Verlustausgleich nach § 20 Abs 6 S 6 EStG findet nur iRd Veranlagung statt. Das Kreditinstitut hat die angefallenen Verluste iSd § 20 Ab 6 S 6 EStG auch ohne Antrag des StPfl zu bescheinigen, um dem StPfl iRd Veranlagung (beispielsweise mit Einkünften aus KapVerm, die bei einem anderen Kreditinstitut erzielt wurden) zu ermöglichen (s BMF v 15.12.2017, BStBl I 2018, 13, geändert durch BMF v 11.11.2020, BStBl I 2020, 1134 Tz 34a).
Die Einführung des § 20 Abs 6 S 6 EStG ist als Reaktion auf verschiedene Urteile des BFH im Zusammenhang mit Verlusten aus KapVerm zurückzuführen, mit welcher dieser letztlich zugunsten des StPfl entschieden hatte (dazu s Dorn, NWB Nr 13 v 03.04.2021, Beilage 2021, 12). Nach der Gesetzesbegründung erscheint es – vor allem im Hinblick auf Kleinanleger – sachgerecht, derartige Verluste mit einem bestimmten Betrag steuerlich anzuerkennen. Die Verluste werden deshalb in einem besonderen Verlustverrechnungskreis berücksichtigt. Sie werden nicht generell versagt, sondern zeitlich gestreckt. Mit Einkünften aus KapVerm iSd S 6 sind Einkünfte erfasst, die nicht Einkünfte iSd S 4 und des S 5 sind. Verluste bis zu EUR 20 000 können dabei im Jahr der Entstehung bereits vollständig mit anderen KapErtr ausgeglichen werden. Damit wird Kleinanlegern typischerweise die steuerliche Berücksichtigung der Verluste sofort gewährt.
Anleger mit höheren Vermögenswerten erzielen typischerweise auch in größerem Umfang laufende Erträge und sind durch den für Kapitaleinkünfte einschlägigen Steuersatz von 25 % begünstigt. Eine Begrenzung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten für diese Anlegergruppe ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt (s BT-Drucks 19/15876, 61). Dieses scheint äußerst fraglich, da in den Fällen des § 32d Abs 2 Nr 3 EStG die Verlustverrechnung des § 20 Abs 6 EStG nicht anwendbar ist (§ 32d Abs 2 Nr 3 S 2 EStG). Ordnet man den Verlust aus einem in der Krise stehengelassenen Darlehen den Einkünften nach § 20 EStG zu (dazu s Rn 1374), so würde es insbesondere bei Anlegern mit höheren Vermögenswerten zu Ungleichbehandlungen kommen. Anleger, die einen Antrag nach § 32d Abs 2 Nr 3 EStG stellen können, können – allerdings unter Beachtung des Teileinkünfteverfahrens – bessergestellt sein als jene, die ohne ein solches Antragsrecht nur eine Verlustverrechnung iHv EUR 20 000 pa haben. Dieses erscheint gleichheitswidrig.
§ 20 Abs 6 S 6 EStG ist auf Verluste, die nach dem 31.12.2019 entstehen, anzuwenden (§ 52 Abs 28 EStG).