Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 609
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Bereits in § 12 S 1 des Preußischen EStG (pEStG) v 24.06.1891 (Preußische Gesetzessammlung 1891, 175) wurden "Zinsen, Renten und geldwerte Vorteile aus Kapitalvermögen jeder Art" der Besteuerung unterworfen. Ähnliche Formulierungen lassen sich in § 8 Abs 1 Nr 4 EStG 1920 (RGBl I 1920, 359), § 37 Abs 1 Nr 4 EStG 1925 (RGBl I 1925, 189) und in § 20 Abs 1 Nr 4 EStG 1934 (RGBl I 1934, 1005) finden. Ferner findet sich in § 20 Abs 1 Nr 4 EStG 1974 (BGBl 1974 I, 1993), der durch das KStRG (BGBl 1976, 2597) in § 20 Abs 1 Nr 8 EStG verschoben wurde, sowie in § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 1985 die Formulierung "Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art", wobei sich der Wortlaut der beispielhaften Aufzählung von Zinsen aber unterscheidet.
Erst durch das StMBG v 21.12.1993 (BGBl I 1992, 2310) wurde der Tatbestand erweitert. Hintergrund waren neue Kapitalanlageformen, die mit dem Ziel angeboten wurden, den Zinsabschlag und sogar die Einkommensbesteuerung überhaupt zu vermeiden, indem die Kapitalanlageformen vermehrt so ausgestaltet wurden, dass der erzielte wirtschaftliche Vorteil sich – nach damaligem Recht – möglichst nicht als stpfl KapErtr, sondern als einkommensteuerlich nicht relevante Vermögensmehrung darstellte (sogenannte Finanzinnovationen). Die Rückzahlungsverpflichtung, die dem Tatbestandsmerkmal "Kapitalforderung" zu entnehmen war, wurde durch das StMGB ausdrücklich aufgehoben. Der damalige § 20 Abs 1 Nr 7 EStG idF des StMBG hatte folgenden Wortlaut:
Zitat
"Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zu Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage."
Durch das UntStRG v 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) wurde das Wort "gewährt" durch das Wort "geleistet" ersetzt. Damit enthielt der § 20 Abs 1 Nr 7 S 1 EStG seine heutige Form. Durch den neuen Wortlaut werden auch laufende Erträge aus Vollrisikozertifikaten (s Rn 597, Fall 1) steuerlich erfasst.
Rn. 610
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Neben der Besteuerung der laufenden Erträge muss man aber auch noch die Besteuerung der Veräußerung bzw beim Durchhalter die Besteuerung der Rückgabe nicht ganz außer Betracht lassen. So sah bereits § 12 S 2 Buchst d pEStG 1891 eine Besteuerung von "Spekulationsgewinnen aus der Veräußerung von Wertpapieren, Forderungen, Rechten usw" vor. Eine vergleichbare Regelung ist auch dem § 20 Abs 2 Nr 3 EStG 1985 zu entnehmen. Durch das StMBG v 21.12.1993 (BGBl I 1992, 2310) wurden mit Wirkung ab dem VZ 1993 gemäß § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 S 2 EStG 1993 Einnahmen aus der Veräußerung bestimmter sonstiger Kapitalforderungen steuerbar, deren Erträge ein Unsicherheitsmoment ausweisen (vgl Buchst c und d), soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Ermissionsrendite entsprechen. Diese Regelung wurde in § 20 Abs 2 S 2 EStG idF StMBG 1994 lediglich dahingehend ergänzt, dass dann, wenn der StPfl die Emissonsrendite nicht nachweist, der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen als KapErtr gilt.
Mit dem UntStRG v 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) hat der Gesetzgeber die Vermögensebene in § 20 EStG einbezogen und somit das EStG grundlegend novelliert. Seit dem VZ 2009 sind Veräußerungsgewinne und Gewinne des Durchhalters aus Einlösung oder Rückzahlung nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 u S 2 EStG voll der Besteuerung unterworfen. Die Unterscheidung zwischen laufenden Erträgen nach § 20 Abs 1 Nr 7 EStG und Erträgen aus der Veräußerung oder Einlösung eines Finanzprodukts ist nunmehr im Ergebnis überflüssig geworden. Beide Fälle sind steuerbar.
Rn. 611
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Die StPfl für Zinsen für Steuererstattungen gemäß § 233a AO hat der Gesetzgeber mit dem JStG 2010 v 08.12.2010, BGBl I 2010, 1768, in § 20 Abs 1 Nr 7 S 3 EStG aufgenommen. Dieser Regelung ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Urteil des BFH v 15.06.2010, VIII R 33/07, BStBl II 2011, 503, mit dem der VIII. Senat Zinsen auf Steuererstattungen in Hinblick auf § 12 Nr 3 EStG nicht mehr der Besteuerung nach § 20 Abs 1 Nr 7 S 1 EStG unterwirft (Einzelheiten s Rn 647).
Rn. 612–615
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
vorläufig frei