Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
a) Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung (§ 20 Abs 6 S 6 EStG Fall 1)
Rn. 1536
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Zum Begriff der Kapitalforderung s Rn 617. Hierunter sind in erster Linie Forderungen zu verstehen, die auf Geld gerichtet sind. Eine Kapitalforderung ist dann uneinbringlich, wenn sich auf Grundlage der Gesamtumstände des Schuldenverhältnisses abzeichnet, dass der Schuldner die Verbindlichkeit ganz oder teilweise nicht erfüllen wird (Beispiele: Zwangsvollstreckung ist ergebnislos geblieben, das Insolvenzverfahren wurde mangels Masse eingestellt, die Forderung ist verjährt). § 20 Abs 6 S 6 EStG Fall 1 erfasst daher auch Veräußerungstatbestände, die zu Gestaltungszwecken abgewickelt werden, also insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich das Solvenzrisiko bereits ganz oder teilweise realisiert hat.
b) Verluste aus der Ausbuchung wertloser WG iSd § 20 Abs 1 EStG (§ 20 Abs 6 S 6 EStG Fall 2)
Rn. 1537
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Unter WG iSd § 20 Abs 1 EStG sind alle Kapitalforderungen zu verstehen, die zu Kapitaleinkünften nach § 20 Abs 1 EStG führen können. Diese WG müssen wertlos geworden sein. Bei objektiv nicht wertlosen WG greift § 20 Abs 6 S 6 EStG nicht. Es stellt sich die Frage, inwieweit wertlose Aktien zu behandeln sind, ob insoweit § 20 Abs 6 S 6 EStG Vorrang vor § 20 Abs 6 S 4 EStG hat oder umgekehrt.
Der Begriff "wertlose WG" ist aber mE eng auszulegen. § 20 Abs 6 S 4 EStG regelt die Verlustberücksichtigung von Aktienveräußerungen und geht als lex spezialis dem § 20 Abs 6 S 6 EStG vor (auch s Levedag in Schmidt, § 20 EStG Rz 248 (41. Aufl)).
Bei einer (ersatzlosen) Ausbuchung (oder auch einem Verkauf zu 0 %) erhält der Depotinhaber keine Gegenleistung, so dass es an einer entgeltlichen Übertragung fehlt. Typischer Anwendungsfall ist das Ausbuchen wertlos gewordener Optionsscheine.
c) Verluste aus der Übertragung wertloser WG iSd § 20 Abs 1 EStG auf Dritte (§ 20 Abs 6 S 6 EStG Fall 3)
Rn. 1538
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Zum Begriff "wertlose WG iSd § 20 Abs 1 EStG" s Rn 1537. In der Praxis werden oftmals wertlose WG zu einem symbolischen Preis von nahezu null Euro (zB 1 Cent) verkauft. Begrifflich liegt hierin ein Veräußerungsgeschäft iSd § 20 Abs 2 EStG vor. Eine solche Vorgehensweise wird von § 20 Abs 6 S 6 EStG Fall 3 umfasst.
d) Verluste aus einem sonstigen Ausfall von WG iSd § 20 Abs 1 EStG (§ 20 Abs 6 S 6 EStG Fall 4)
Rn. 1539
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Auch Verluste aus einem sonstigen Ausfall von WG iSd § 20 Abs 1 EStG (zB Verluste bei Vollrisikozertifikaten) fallen unter die Verlustbeschränkung des § 20 Abs 6 S 6 EStG.
Rn. 1540
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
vorläufig frei