Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
a) Grundsätzliches
Rn. 1360
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
§ 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG besteuert den Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art iSd § 20 Abs 1 Nr 7 EStG. Somit werden (ab dem VZ 2009) korrespondierend zu Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs 1 Nr 7 EStG auch Vermögenszuwächse aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen der Besteuerung unterworfen.
Die Vorschrift des § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG wurde durch die UntStRG 2008 (BGBl I 2007, 1912) eingefügt. Teilweise sind dabei die Besteuerungstatbestände des damaligen § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 EStG aF (bis VZ 2008) sowie des damaligen § 23 Abs 1 Nr 2 EStG aF (bis VZ 2008) eingeflossen. Die frühere Regelung über Stückzinsen des § 20 Abs 2 Nr 3 aF (bis VZ 2008) wird nunmehr auch von § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG mit umfasst.
Im Vergleich zu der Rechtslage bis zum VZ 2008 gewährleistet der § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG, dass Vermögenszuwächse aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen besteuert werden, unabhängig von der bisher geltenden einjährigen Behaltefrist. Als Auffangtatbestand soll § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG die Realisation sämtlicher positiver und negativer Wertveränderungen von Kapitalanlageprodukten erfassen, die nicht in den Nr 1–6 des § 20 Abs 2 EStG geregelt sind. Zum Verlust der Forderung s Rn 1226 und s Rn 1373ff.
Eine steuerlich relevante Vermögensänderung ist zB bei ab 2009 erworbenen Papieren gegeben, wenn der Kurs eines festverzinslichen Wertpapiers – aufgrund einer Steigerung/Minderung des Kapitalmarktzinses – unter/über den Nennwert des Papiers sinkt/steigt.
Rn. 1361
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Für die Anwendung der AbgSt auf Gewinne aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen kommt es auf die Ausgestaltung der Kapitalanlage an, wenn diese vor dem 01.01.2009 erworben wird (s § 52 Abs 28 S 15 EStG).
Zu den Sonderregelungen (s § 52 Abs 28 S 16 u 17 EStG) wird verwiesen auf die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich (s Rn 1362ff).
b) Sachlicher Anwendungsbereich
Rn. 1362
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
In sachlicher Hinsicht wird die Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art iSv § 20 Abs 1 Nr 7 EStG (s Rn 616ff) erfasst. Dazu folgende Einzelfälle:
ba) Nutzungserträge bei Auf- und Abzinsungspapiere und Zerobonds
Rn. 1363
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Werden ausschließlich Erträge für die Nutzungsüberlassung bei Einlösung der Anleihe zum Zeitpunkt der Endfälligkeit vereinnahmt (zB bei Zerobonds, auf- oder abgezinsten Kapitalforderungen), erfolgt nach BMF v 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 (Einzelfragen zur AbgSt) Tz 55 ebenfalls die Besteuerung nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG mit der Begründung, dass die Einlösung und Rückzahlung als Veräußerung gilt, ohne zwischen Ersterwerber und Zweiterwerber zu unterscheiden.
Grds gelten die Zinsen (Unterschied zwischen Ausgabepreis und Rückzahlungsbetrag) bei einem auf- oder abgezinsten Sparbrief des PV für die gesamte Laufzeit erst dann steuerlich als zugeflossen, wenn der Sparbrief zurückgegeben oder das Recht aus dem Sparbrief abgetreten worden ist (BFH v 02.03.1993, VIII R 13/91, BStBl II 1993, 602). Das Gleiche gilt bei den unverzinslichen Schatzanweisungen der Deutschen Bundesbank (dazu s BMF v 24.11.1986, BStBl I 1986, 539) sowie bei den sogenannten Zerobonds (s BMF v 24.01.1985, BStBl I 1985, 77).
Ob der Sparer ein vorzeitiges Kündigungsrecht und damit die Möglichkeit hat, vorzeitig über die Zinsen zu verfügen, ist ohne Bedeutung. So werden beim sogenannten Bundesschatzbrief Typ B ebenfalls die Zinsen mit Zinseszinsen bei der Rückzahlung dem Kapitalstock zugeschlagen (Aufzinsung). Obwohl nach Ablauf einer 12-monatigen Sperrfrist jederzeit die Rückzahlung zum Rückzahlungswert verlangt werden kann, gelten die Einnahmen nach Auffassung der FinVerw (s BMF v 20.12.1988, BStBl I 1988, 540) dennoch erst bei Kapitalrückzahlung als zugeflossen.
Wird die Laufzeit eines abgezinsten Sparkassenbriefes verlängert und werden für den Prolongationszeitraum erst nach Ablauf der verlängerten Laufzeit zusätzliche Zinsen bezahlt, so fließen zum ursprünglich vereinbarten Einlösungstag die zugewachsenen Zinsen bis zu diesem Zeitpunkt zu, da der Sparer rechtlich und tatsächlich verfügt hat, dass die fälligen Zinsen dem Kapital zugeschlagen werden. Die darüber hinausgehenden Zinsen für den Prolongationszeitraum fließen dem Sparer erst nach Ablauf der Restlaufzeit zu (s OFD Ffm v 21.02.1995, ESt-Kartei HE § 20 EStG Fach 3 Karte 2).
bb) Finanzinnovationen
Rn. 1364
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Finanzinnovation ist ein Sammelbegriff für Wertpapiere und Kapitalforderungen. Hierbei werden die Ausgestaltungsmerkmale (zB Laufzeit, Verzinsung oder Kapitalrückgabe) in bestimmter Weise verändert, dh, dass zB kein fester, sondern ein variabler Zinssatz vereinbart wird sowie die Vergütung oder die Rückzahlung von einem Ereignis abhängig gemacht wird, das zum Zeitpunkt der Vereinbarung ungewiss ist (zB von einem Index oder anderen in der Zukunft liegenden Wertmaßstäben). Ziel von Finanzinnovationen war es nach bisheriger Rechtslage insbesondere, stpfl Zinserträge in steuerfreie Wertzuwächse zu transformieren.
Die Regelung d...