Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 1239
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
In sachlicher Hinsicht ist § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 S 1 EStG auf Veräußerungen von Anteilen an einer Körperschaft iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG anzuwenden. Der Anwendungsbereich wird durch § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 S 2 EStG erweitert auf Genussrechte iSv § 20 Abs 1 Nr 1 EStG, ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften.
ba) Anteile an Körperschaften
Rn. 1240
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Unter Körperschaften iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG sind insbesondere inländische und ausländische Aktien, GmbH-Anteile und Anteile an Genossenschaften zu nennen (Einzelheiten s Rn 200ff). Auch Anteile an den Vorgesellschaften (zB eine Vor-GmbH oder Vor-AG) stellen Anteile an Körperschaften iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG dar, da diese bereits körperschaftliche Strukturen aufweisen.
Diese sind bei den sogenannten Vorgründungsgesellschaften noch nicht vorhanden, so dass diese noch keine Körperschaften iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG darstellen. Ebenso stellt die REIT-AG (s Rn 225) eine Körperschaft iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG dar.
Rn. 1241
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Gewinne und Verluste aus der Veräußerung oder Rückgabe von Anteilen an Investmentfonds gehörten bis 2017 ebenfalls zu den Einkünften aus KapVerm gemäß § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG (§ 8 Abs 5 InvStG 2004). Ab 2018 werden Veräußerungsgewinne von Publikumsfonds von § 20 Abs 1 Nr 3 EStG iVm § 19 InvStG 2018 (s Rn 470c) sowie von Spezial-Investmentfonds von § 20 Abs 1 Nr 3a EStG iVm § 49 InvStG 2018 (s Rn 472b) erfasst.
Rn. 1242–1243
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
vorläufig frei
bb) Genussrechte
Rn. 1244
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Im Vergleich zu Anteilen an Körperschaften, die mitgliedschaftliche Rechte beinhalten, lösen Genussrechte an Körperschaften lediglich schuldrechtliche Ansprüche aus. Genussrechte sind aber dann mitgliedschaftsähnlich und fallen unter den Veräußerungstatbestand des § 20 Abs 2 Nr 1 EStG, wenn das Genussrecht eine Beteiligung am Gewinn sowie am Liquidationserlös gewährt. Die Behandlung eines derartig ausgestalteten Genussrechts als ein mitgliedschaftsähnliches Recht ist auch daher sachgerecht, da eine Körperschaft gemäß § 8 Abs 3 S 2 KStG durch Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der KapGes verbunden ist, ihr Einkommen durch die Ausschüttung nicht mindern darf.
Hingegen fallen Genussrechte, die lediglich eine Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös gewähren, unter den Veräußerungstatbestand des § 20 Abs 2 Nr 7 EStG.
bc) Ähnliche Beteiligungen
Rn. 1245
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Unter ähnliche Beteiligungen fallen nach der Gesetzesbegründung Anteile an Vorgesellschaften, die nach Abschluss des Vertrags zur Errichtung einer KapGes vor Eintragung in das Handelsregister bestehen (BT-Drucks 16/4841, 55). Vorgesellschaften sind bereits körperschaftlich strukturiert und fallen somit unter den Begriff der Körperschaften iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG, so dass das Tatbestandsmerkmal "ähnliche Beteiligungen" nur klarstellt, dass die Veräußerungen von Anteilen an Vorgesellschaften in den Regelungsbereich des § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG fallen.
bd) Anwartschaften
Rn. 1246
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Unter Anwartschaften iSv § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG sind alle dinglichen oder schuldrechtlichen Rechte zum Erwerb eines Anteils einer Körperschaft iSv § 20 Abs 1 Nr 1 EStG zu verstehen. Hierzu gehören Bezugsrechte im Rahmen einer Kapitalerhöhung nach § 186 AktG. Hiernach muss jedem Aktionär auf sein Verlangen ein seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt werden. Dieses Bezugsrecht ist veräußerbar und fällt somit in den Regelungsbereich des § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG.
Ferner fallen Wandlungsrechte aus Wandelschuldverschreibungen iSd § 221 Abs 1 AktG unter Anwartschaften iSv § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG. Bei Wandelschuldverschreibungen handelt es sich um Schuldverschreibungen, bei denen den Gläubigern oder der Gesellschaft ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt wird. Die Emission der Wandelschuldverschreibung und der spätere Erwerb der Aktien an der Emittentin stellen aus der Perspektive des Anlegers einen einheitlichen Rechtsvorgang dar (BFH v 21.02.1973, I R 106/71, BStBl II 1973, 460). Ein solches Wandlungsrecht ist veräußerbar und fällt ebenso in den Regelungsbereich des § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG.
Dagegen stellen schuldrechtlich begründete Anwartschaftsrechte wie etwa die Lieferung von Anteilen bei Optionsgeschäften keine Anwartschaften iSv § 20 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG dar. Hier fehlt es an einem einheitlichen Rechtsvorgang des schuldrechtlichen Geschäftes und dem späteren Erwerb der Anteile. Hier wird das Recht eingeräumt, einen Vertrag zum Erwerb von Anteilen an einer KapGes abschließen zu dürfen. Eine Veräußerung einer solchen rechtlichen Position fällt in den Regelungsbereich des § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG. Gleiches gilt auch für schuldrechtlich begründete Anwartschaftsrechte wie der Kauf unter Eigentumsvorbehalt oder unter aufschiebender Bedingung mit jederzeitiger Möglichkeit zur Herbeiführung des Bedingungseintritts.
Rn. 1247–1248
Stand: EL 162 – ...