Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 1362
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
In sachlicher Hinsicht wird die Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art iSv § 20 Abs 1 Nr 7 EStG (s Rn 616ff) erfasst. Dazu folgende Einzelfälle:
ba) Nutzungserträge bei Auf- und Abzinsungspapiere und Zerobonds
Rn. 1363
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Werden ausschließlich Erträge für die Nutzungsüberlassung bei Einlösung der Anleihe zum Zeitpunkt der Endfälligkeit vereinnahmt (zB bei Zerobonds, auf- oder abgezinsten Kapitalforderungen), erfolgt nach BMF v 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 (Einzelfragen zur AbgSt) Tz 55 ebenfalls die Besteuerung nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG mit der Begründung, dass die Einlösung und Rückzahlung als Veräußerung gilt, ohne zwischen Ersterwerber und Zweiterwerber zu unterscheiden.
Grds gelten die Zinsen (Unterschied zwischen Ausgabepreis und Rückzahlungsbetrag) bei einem auf- oder abgezinsten Sparbrief des PV für die gesamte Laufzeit erst dann steuerlich als zugeflossen, wenn der Sparbrief zurückgegeben oder das Recht aus dem Sparbrief abgetreten worden ist (BFH v 02.03.1993, VIII R 13/91, BStBl II 1993, 602). Das Gleiche gilt bei den unverzinslichen Schatzanweisungen der Deutschen Bundesbank (dazu s BMF v 24.11.1986, BStBl I 1986, 539) sowie bei den sogenannten Zerobonds (s BMF v 24.01.1985, BStBl I 1985, 77).
Ob der Sparer ein vorzeitiges Kündigungsrecht und damit die Möglichkeit hat, vorzeitig über die Zinsen zu verfügen, ist ohne Bedeutung. So werden beim sogenannten Bundesschatzbrief Typ B ebenfalls die Zinsen mit Zinseszinsen bei der Rückzahlung dem Kapitalstock zugeschlagen (Aufzinsung). Obwohl nach Ablauf einer 12-monatigen Sperrfrist jederzeit die Rückzahlung zum Rückzahlungswert verlangt werden kann, gelten die Einnahmen nach Auffassung der FinVerw (s BMF v 20.12.1988, BStBl I 1988, 540) dennoch erst bei Kapitalrückzahlung als zugeflossen.
Wird die Laufzeit eines abgezinsten Sparkassenbriefes verlängert und werden für den Prolongationszeitraum erst nach Ablauf der verlängerten Laufzeit zusätzliche Zinsen bezahlt, so fließen zum ursprünglich vereinbarten Einlösungstag die zugewachsenen Zinsen bis zu diesem Zeitpunkt zu, da der Sparer rechtlich und tatsächlich verfügt hat, dass die fälligen Zinsen dem Kapital zugeschlagen werden. Die darüber hinausgehenden Zinsen für den Prolongationszeitraum fließen dem Sparer erst nach Ablauf der Restlaufzeit zu (s OFD Ffm v 21.02.1995, ESt-Kartei HE § 20 EStG Fach 3 Karte 2).
bb) Finanzinnovationen
Rn. 1364
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Finanzinnovation ist ein Sammelbegriff für Wertpapiere und Kapitalforderungen. Hierbei werden die Ausgestaltungsmerkmale (zB Laufzeit, Verzinsung oder Kapitalrückgabe) in bestimmter Weise verändert, dh, dass zB kein fester, sondern ein variabler Zinssatz vereinbart wird sowie die Vergütung oder die Rückzahlung von einem Ereignis abhängig gemacht wird, das zum Zeitpunkt der Vereinbarung ungewiss ist (zB von einem Index oder anderen in der Zukunft liegenden Wertmaßstäben). Ziel von Finanzinnovationen war es nach bisheriger Rechtslage insbesondere, stpfl Zinserträge in steuerfreie Wertzuwächse zu transformieren.
Die Regelung des § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG findet Anwendung für Einnahmen aus Finanzinnovationen, die nach alter Rechtslage unter § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 EStG aF (bis VZ 2008) fallen. Der Ansatz der Emissionsrendite ist ab 2009 nicht mehr möglich. Die allgemeinen Grundsätze zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns in § 20 Abs 4 EStG sind anzuwenden.
Rn. 1365
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Zeitliche Anwendungsvorschrift für die AbgSt
Grds wird die AbgSt auf nach dem 31.12.2008 zufließende KapErtr, die aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen entstehen, erhoben (§ 52 Abs 28 S 15 EStG). Davon erfasst werden insbesondere die Kapitalforderungen, die nach bisherigem Recht als Finanzinnovationen gelten und deren Einlösungs- bzw Kursgewinn nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 EStG aF (bis VZ 2008) bisher stpfl war. Für diese Papiere gibt es keine zeitlichen Übergangsvorschriften.
Die BFH-Rspr (insbesondere zu variabel verzinsten Anleihen; zusammengefasst im BMF BStBl I 2007, 548) zu Kapitalanlagen bei denen eine Unterscheidung zwischen Ertrags- und Vermögensebene ohne größeren Aufwand möglich ist, und bei Produkten, die nur mit einer teilweisen Kapitalgarantie ausgestattet sind, gab den Anlass, die zeitliche Anwendungsvorschrift für Finanzinnovationen, die vor dem 01.01.2009 angeschafft werden, zu konkretisieren (JStG 2009, BGBl I 2008, 2794: § 52a Abs 10 S 7 EStG aF nunmehr § 52 Abs 28 S 16 EStG). Ab 2009 kommt es für die steuerrechtliche Behandlung eines Finanzproduktes ausschließlich darauf an, dass es unter den Wortlaut des § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 EStG aF fällt. Eine theoretisch mögliche Unterscheidung zwischen Ertrags- und Vermögensebene und eine teilweise Kapitalgarantie ist unbeachtlich. Die Änderung ist erstmals für den VZ 2009 anzuwenden (§ 52a Abs 1 EStG aF).
bc) Sonstige Kapitalforderungen, die keine Finanzinnovationen sind
Rn. 1366
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Weiterhin erfasst § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG auf der Vermögensebene realisierte Wertzuwächse (und Wertminderungen) bei Kapitalforderungen, die nach der Rechtlage bis VZ 2008 nu...