Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 1260
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
In den sachlichen Anwendungsbereich des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG fällt die Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen. Dieses setzt voraus, dass ein Dividendenanspruch noch nicht entstanden ist. Liegt bereits ein Gewinnverwendungsbeschluss vor und ist der Anspruch auf Auszahlung einer Dividende somit entstanden, so erfolgt eine Besteuerung der Dividende nach § 20 Abs 1 Nr 1 EStG. Diese ist dem Anteilseigner nach § 20 Abs 5 EStG zuzurechnen, egal wann und an wen die Dividende ausgezahlt wird.
ba) Dividendenscheine und sonstige Ansprüche
baa) Dividendenscheine
Rn. 1261
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Dividendenscheine, oft auch als Coupon bezeichnet, sind den Aktien beigefügte Gewinnanteilscheine. Sie werden in §§ 72 Abs 2 und 75 AktG genannt. Auch ohne gesetzliche Regelung ist bei einer GmbH ein Gewinnanteilschein anerkannt (s Kersting in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 29 Rz 87 (22. Aufl 2019)). Dividendenscheine dienen der Auszahlung der Dividende und der Ausübung des Bezugsrechts sowie auch sonstigen Ausschüttungen. Der Dividendenbogen besteht aus 10 bis 20 den Aktien beigefügten Dividendenscheinen, die am Fälligkeitstag abgetrennt und eingelöst werden. Der letzte Abschnitt des Dividendenbogens ist der Erneuerungsschein (Talon), bei dessen Vorlage ein neuer Dividendenscheinbogen ausgegeben wird.
Dividendenscheine sind Inhaberpapiere und selbstständige Wertpapiere. Wurden Dividendenscheine ausgegeben, ist der Anspruch des Aktionärs auf die Dividende durch Einigung und Übergabe des Dividendenscheins übertragbar, denn der Dividendenschein verkörpert den Dividendenzahlungsanspruch.
Eine wirksame Veräußerung der Dividendenscheine iSd § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG liegt nur vor, wenn die Dividendenscheine dem Erwerber übergeben werden.
Auch wenn Dividendenscheine Rechte auf sonstige Ausschüttungen wie zB eine vGA verbriefen können, fällt deren Veräußerung nicht in den Regelungsbereich des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG. Die vGA hat ihre Ursache in der Nahebeziehung des Anteilseigners zu der KapGes, und somit fehlt es am Charakter einer offenen Gewinnausschüttung, die allen Anteilseigern gleichermaßen zugutekommt.
bab) Sonstige Ansprüche
Rn. 1262
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Wurden Dividendenansprüche nicht verbrieft, liegt eine wirksame Veräußerung eines sonstigen Anspruchs iSd zweiten Alternative des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG vor, wenn der Anspruch Gewinnausschüttung durch eine wirksame Forderungsabtretung auf den Erwerber übertragen wurde.
Rn. 1263
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
vorläufig frei
bb) Veräußerung durch den Inhaber des Stammrechts
Rn. 1264
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Der Veräußerung des Dividendenscheins oder sonstigen Anspruchs muss durch den Inhaber des Stammrechts erfolgen. Wird ein (isoliert) erworbener Dividendenschein weiterveräußert, so wird diese Veräußerung nicht von § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG erfasst.
Der Nießbraucher oder Pfandgläubiger am Stammrecht ist nicht dessen Inhaber. Somit wird die Veräußerung eines Dividendenscheins oder sonstigen Anspruchs durch den Nießbraucher oder Pfandgläubiger am Stammrecht auch nicht von § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG erfasst.
Rn. 1265
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
vorläufig frei
bc) Keine Veräußerung des Stammrechts
Rn. 1266
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG ist nur dann einschlägig, wenn die dazu gehörigen Aktien oder sonstige Anteile nicht mitveräußert werden. Die Veräußerung des Stammrechts zusammen mit dem Dividendenschein oder sonstigen Anspruchs wird somit nicht von dieser Regelung erfasst.
Diese durch den Gesetzgeber vorgenommene Einschränkung ist sinnvoll, da eine Veräußerung von Stammrecht und Dividendenschein oder sonstigen Ansprüchen ohnehin unter den Veräußerungstatbestand des § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG fällt. Sollten neben den Anteilen an der Körperschaft auch noch etwaige Ansprüche auf Gewinnausschüttung mit veräußert werden, so werden Veräußerer und Erwerber etwaige Ansprüche auf Gewinnausschüttung bei der Findung des Veräußerungspreises mitberücksichtigen. Eine Aufteilung des Veräußerungspreises auf das Stammrecht sowie den Dividendenschein ist somit entbehrlich.
Rn. 1267
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
vorläufig frei
bd) Steuerbefreiung der Dividendenzahlung (§ 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 2 EStG)
Rn. 1268
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
§ 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 2 EStG sperrt die Besteuerung nach § 20 Abs 1 EStG, soweit eine Besteuerung nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG erfolgt ist. Nach dem Wortlaut tritt somit an die Stelle der Besteuerung nach § 20 Abs 1 EStG die Besteuerung des Veräußerungsgewinnes des Dividendenscheins oder des sonstigen Anspruchs nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG. Dadurch wird eine Doppelbesteuerung der Dividendenzahlung und zusätzlich des Veräußerungserlöses aus der Übertragung des Gewinnanspruchs vermieden.
Nur in Fällen, in denen vom Inhaber des Stammrechts der Veräußerungserlös nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a EStG zu versteuern ist, wird die Dividendenzahlung nicht mehr besteuert. Die Sperrwirkung des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 2 EStG für die Besteuerung der Dividenden nach § 20 Abs 1 Nr 1 EStG nach der im Jahr 2013 geltenden Fassung tritt auch dann ein, wenn der Gewin...