Prof. Dr. iur. Claus Möllenbeck
Rn. 78
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Bei Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs wird das KapVerm, auf das sich der Nießbrauch bezieht, nicht übertragen.
Beispiel:
Der Eigentümer (Nießbrauchsbesteller) bestellt seinem Kind (Nießbraucher) unentgeltlich für 20 Jahre den Nießbrauch an Anteilen an einer KapGes (AG, GmbH) oder an einer verzinslichen Darlehensforderung.
Fraglich ist, ob der Nießbraucher an einer Kapitalrückgabeforderung den Tatbestand der zeitweisen Überlassung von Kapital zur Nutzung erfüllt, da er nicht zivilrechtlicher Inhaber der Kapitalrückgabeforderung wird.
Rn. 79
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Nach dem Grundsatz-Urteil des BFH v 14.12.1976, BStBl II 1977, 115, soll ein entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgestalteter, zugunsten eines Unterhaltsberechtigten unentgeltlich eingeräumter Nießbrauch an einer Kapitalrückgabeforderung nicht zur Einkünfteverlagerung auf den Nießbraucher führen. Der Nießbraucher übernimmt also nicht die Rolle des Kapitalüberlassers. Der BFH hat sein Urt ausdrücklich auf die "Fälle der vorliegenden Art" beschränkt.
Trotz dieser Einschränkung hat die FinVerw aus dem Urteil die Schlussfolgerung gezogen, dass ein Zuwendungsnießbrauch generell nicht anerkannt werden kann (BMF v 23.11.1983, BStBl I 1983, 508). Die Erträge sind weiter dem Nießbrauchbesteller zuzurechnen. Nach glA im Schrifttum sind dem Kapitaleigner stets die KapErtr zuzurechnen mit der Begründung, dass der Nießbraucher lediglich das Recht hat, die Beteiligung, das Wertpapier bzw die Forderung zu nutzen. Der Nießbrauch begründe zwar den Anspruch des Nießbrauchers auf KapErtr, der Nießbraucher wird aber weder Anteilseigner noch Eigentümer des KapVerm noch Eigentümer der Kapitalforderung (Jochum in K/S/M, § 20 G 11).
Rn. 80
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Im übrigen Schrifttum (s Schrifttum vor Rn 78) wird dagegen mehrheitlich die Auffassung der FinVerw, ausschließlich auf den Akt der Kapitalüberlassung abzustellen, kritisiert und die Meinung vertreten, auch der Zuwendungsnießbraucher erfülle unter bestimmten Voraussetzungen den Tatbestand der Kapitalüberlassung. Das ergibt sich nicht zuletzt aus § 20 Abs 5 EStG, wonach der Nießbraucher als Anteilseigner gilt, sofern ihm die Anteile am KapVerm iSd § 20 Abs 1 Nr 1 und 2 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Das wesentliche, den Kapitalüberlasser kennzeichnende Merkmal ist nach hA im Schrifttum die Möglichkeit, die Höhe der Erträge aus dem Kapitalüberlassungsverhältnis zu beeinflussen, indem die vom Markt gebotenen Chancen zum aktiven Einsatz genutzt werden können durch Vermögensverwaltung, Ausübung von Stimm-, Anfechtungs- und Mitgliedschaftsrechten, umfassende Informationsrechte oder Änderung der Modalitäten einer Anlage. Dabei kommt es mE darauf an, dass die Dispositions- und Verwaltungsspielräume auch tatsächlich in Anspruch genommen werden, so dass es zu einer wirklichen Nutzung des zur Verfügung stehenden Kapitals durch den Kapitalüberlasser (Nießbraucher) selbst kommt (glA unter anderem Korn, DStR 1999, 1461). Bei Steuergestaltungen muss durch vertragliche Regelungen die Stellung des Nießbrauchers entsprechend gestärkt werden. Eine Zurechnung von Einkünften beim Nießbraucher scheidet mE dann aus, wenn die bezogenen Erträge durch den Nießbrauchbesteller lediglich weitergeleitet werden müssen, ohne dass der Empfänger rechtlich in irgendeiner Weise auf die Verw des Vermögens Einfluss nehmen könnte (so auch BFH v 26.11.1997, BStBl II 1998, 190).
Rn. 81
Stand: EL 162 – ET: 12/2022
Bei einem entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgestalteten Nießbrauch an einer Kapitalrückgabeforderung hat der Nießbraucher keine Möglichkeit, auf die Höhe der Erträge aus dem im Zeitpunkt der Nießbrauchbestellung bereits bestehenden Kapitalüberlassungsverhältnis Einfluss zu nehmen. Sofern jedoch das Ende des Kapitalüberlassungsverhältnisses während der Dauer des Nießbrauchs liegt, entscheidet der Nießbraucher über die Art und Weise der Wiederanlage des zurückgeflossenen Kapitals allein, §§ 1079, 1083 Abs 2 BGB.
Die Bedeutung dieser Dispositionsmöglichkeit für die Frage der Einkünftezurechnung wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Es wird die Meinung vertreten, dass die dem Nießbraucher im Zeitpunkt der Wiederanlage zustehenden Befugnisse keinen Einfluss auf die Einkünftezurechnung haben, da der Entscheidungsspielraum des Nießbrauchers auf mündelsichere Anlageformen beschränkt ist (Uelner, StKongRep 1979, 105). Der Nießbraucher erzielt dann Einkünfte aus KapVerm, wenn er entweder selbst KapVerm gegen Entgelt zur Nutzung überlässt oder als Nachfolger in dem Rechtsverhältnis anzusehen ist, das der Überlassung des Kapitals zur Nutzung zu Grunde liegt und ihm die Einnahmen aus KapVerm zivilrechtlich gebühren.
Die Annahme, dass der Nießbraucher selbst KapVerm gegen Entgelt zur Nutzung überlässt, setzt voraus, dass während der Nießbrauchsdauer tatsächlich eine Wiederanlage erfolgt, die dann gemäß § 1079 BGB vom Nießbraucher zu bestimmen ist. Die Voraus...