Rn. 56
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Das EStG unterscheidet in § 22 Nr 1 EStG zwischen wiederkehrenden Bezügen allgemeiner Art und Leibrenten (wiederkehrende Bezüge besonderer Art).
- Die wiederkehrenden Bezüge allgemeiner Art oder sonstigen wiederkehrenden Bezüge (zB dauernde Lasten) werden gemäß § 22 Nr 1 S 1 EStG in vollem Umfang der Besteuerung unterworfen.
- Für Leibrenten dagegen sind in § 22 Nr 1 S 3 EStG günstigere Besteuerungsregeln vorgesehen.
Aufgrund der Neuregelung durch das AltEinkG v 05.07.2004 (BGBl I 2004, 1427) ist ab dem Jahr 2005 hinsichtlich der Leibrenten weiterhin zu unterscheiden zwischen
- Leibrenten, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, der landwirtschaftlichen Alterskasse, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Rentenversicherungen iSd § 10 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG (Altersvorsorgeleibrenten entsprechend der sog Basisversorgung) erbracht werden, und
- den sonstigen privaten Leibrenten (zB Veräußerungsleibrenten).
Letztere unterliegen nach wie vor der Ertragsanteilsbesteuerung. Hinsichtlich der Besteuerung der Altersvorsorgeleibrenten wurde dagegen ein Systemwechsel hin zur nachgelagerten Besteuerung mit dem Ziel einer Vollbesteuerung am Ende des Übergangszeitraums (2040) vorgenommen (s Rn 91ff).
a) Begriff der Rente/Leibrente
Rn. 57
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Der Begriff der Renten ist weder im Zivil- noch im Steuerrecht definiert. In Anlehnung an die zivilrechtliche Rspr des RG und des BGH hatte die steuerrechtliche Rspr früher eine Leibrente (vgl § 759 BGB) als "ein einheitliches nutzbares Recht (Rentenstammrecht), das dem Berechtigten für die Lebensdauer eines Menschen eingeräumt ist, und dessen Erträge aus fortlaufend wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen in Geld oder vertretbaren Sachen bestehen" verstanden (BFH BStBl II 1980, 501; 1974, 103; 1962, 304). Die Annahme eines Rentenstammrechts wurde für erforderlich gehalten, weil dies der in § 22 Nr 1 S 3 EStG aF vorgenommenen Unterscheidung zwischen Kapital- und Ertragsanteil entspreche.
Rn. 58
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Der GrS des BFH hat im Beschluss v 15.07.1991 (BFH BStBl II 1992, 78) die Annahme eines Rentenstammrechts für steuerliche Zwecke unter Hinweis darauf, dass § 22 Nr 1 S 3 EStG aF auch Sozialversicherungsrenten erfasse, für die ein Rentenstammrecht nicht in Betracht komme (vgl BFH BStBl II 1989, 551), für fraglich gehalten. Entscheidend sei allein, dass eine Leibrente eine von der Lebenszeit einer Bezugsperson abhängige zeitlich gestreckte Vermögensumschichtung darstelle und § 22 Nr 1 S 3 aF lediglich die Aufgabe zukomme, den von der Lebensdauer der betreffenden Person abhängigen und in den Renten enthaltenen Ertragsanteil abzusondern und steuerlich zu erfassen. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es nicht erforderlich, am bürgerlich-rechtlichen Leibrentenbegriff und damit am Begriff des Rentenstammrechts festzuhalten. Der Begriff der Leibrente ist demnach ein spezifisch steuerrechtlicher, der ein Stammrecht nicht voraussetzt (ebenso Fischer in K/S/M, § 22 EStG Rz B 62; aA Stöcker in Bordewin/Brand, § 22 EStG Nr 1 Rz 94).
Bei Leibrenten handelt es sich um eine spezielle Form der Renten. Sie liegen vor, wenn die Renten auf die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson geschuldet bzw gezahlt werden (vgl BFH BFH/NV 2010, 459; BStBl II 2006, 245; 1992, 78).
Rn. 59
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vorläufig frei
b) Gleichmäßigkeit der Leistungen
Rn. 60
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Der steuerrechtliche Begriff der Rente setzt fortlaufend gleich bleibende, dh betragsmäßig fest begrenzte Leistungen bzw Bezüge voraus (BFH BFH/NV 2010, 459; BStBl II 2006, 245; 1992, 78; 1980, 501). Außerdem sind die Leistungen periodisch, dh in gleichen zeitlichen Abständen zu erbringen (vgl BFH BStBl III 1967, 178).
Unwesentliche Schwankungen stehen der Annahme einer Rente nicht entgegen. Ebenso sind Schwankungen, die sich hinsichtlich gleich bleibender Sachleistungen wegen sich ändernder Marktpreise ergeben, unerheblich. Sofern die Leistungen im Wesentlichen gleich bleiben, ist es ferner unerheblich, ob mit den Leistungen zugleich unterschiedliche bzw schwankende Versorgungsbedürfnisse des Berechtigten sichergestellt werden (BFH BStBl II 1992, 78).
Bei der Beurteilung der Gleichmäßigkeit kommt es auf das Vereinbarte und nicht auf eine davon evtl tatsächlich abweichende Handhabung an (vgl Thoma, DStR 1977, 159). Aus diesem Grunde kann eine Rente nicht angenommen werden, wenn trotz vereinbarter schwankender Bezüge tatsächlich rentenähnliche gleich bleibende Zahlungen geleistet werden.
ba) Abgrenzung zu Bezügen mit variabler Bemessungsgrundlage
Rn. 61
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Eine Leibrente kann dann nicht angenommen werden, wenn die Bezüge abhängig sind von einer variablen Bemessungsgrundlage, wie zB dem Gewinn oder dem Umsatz eines Unternehmens, was auch dann zu bejahen ist, wenn die Bezüge nach einem festen Prozentsatz oder einem bestimmten Verteilungsschlüssel bemessen werden (BFH BStBl III 1963, 592; 1964, 475; 1967, 178; H 22.3 EStH 2019 "Begriff der Leiberente"). In diesen Fällen sind die Bezüge den sonstigen voll steuerbaren wiederkehrenden Bezügen iSd § 22 N...