Rn. 33
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Der in § 22 Nr 1 S 1 EStG verwendete Begriff der wiederkehrenden Bezüge ist der übergeordnete Begriff für sämtliche in § 22 Nr 1 EStG geregelten Einnahmetatbestände. Hierzu zählen einmal die in vollem Umfang steuerbaren sonstigen wiederkehrenden Bezügen bzw Bezüge allgemeiner Art iSd § 22 Nr 1 S 1 EStG (zB dauernde Lasten, vgl BFH BFH/NV 2007, 718; 2004, 1709; BStBl II 2008, 123; 2004, 95; 1992, 78). Das EStG unterscheidet in § 22 Nr 1 EStG jedoch des Weiteren zwischen wiederkehrenden Bezügen allgemeiner Art und Leibrenten (wiederkehrende Bezüge besonderer Art).
- Die wiederkehrenden Bezüge allgemeiner Art oder sonstigen wiederkehrenden Bezüge (zB dauernde Lasten) werden gemäß § 22 Nr 1 S 1 EStG in vollem Umfang der Besteuerung unterworfen.
- Für Leibrenten dagegen sind in § 22 Nr 1 S 3 EStG günstigere Besteuerungsregeln vorgesehen (s Rn 90ff).
1. Wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr 1 S 1 EStG
Rn. 34
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Hauptanwendungsfall des Grundtatbestands in § 22 Nr 1 S 1 EStG waren früher die lebenslänglich gezahlten Versorgungsleistungen anlässlich der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Diese waren vom Empfänger nach § 22 Nr 1 S 1 EStG in vollem Umfang zu versteuern und konnten gemäß § 10 Abs 1 Nr 1a EStG aF vom Vermögensübernehmer in vollem Umfang als dauernde Last abgezogen werden (vgl BFH BStBl II 2006, 797; 2005, 133; 1992, 78; BFH/NV 2011, 781; 2002, 1575). Durch das JStG 2008 (BGBl I 2007, 3150) wurde § 22 Nr 1b EStG neu in das EStG eingefügt. Ab dem Jahr 2008 regelte diese Vorschrift die Einkünfte aus Versorgungsleistungen spezialgesetzlich und verwies hinsichtlich des Besteuerungsumfangs auf die ebenfalls durch das JStG 2008 neu gefasste Vorschrift des § 10 Abs 1a EStG. Mittlerweile sind die Regelungen der bisherigen § 22 Nr 1a, 1b u 1c EStG in einem neuen § 22 Nr 1a EStG zusammengefasst worden, der auf den ebenfalls neu gefassten § 10 Abs 1a EStG verweist (s Rn 300ff).
a) Wiederkehrender Charakter
Rn. 35
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Wiederkehrend iSd § 22 Nr 1 S 1 EStG sind Bezüge, wenn sie sich aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrundes mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht immer in gleicher Höhe, wiederholen (BFH BStBl II 1995, 121). Ein einheitlicher Rechtsgrund kann auf Gesetz, Vertrag oder letztwilliger Verfügung beruhen. Weder Leistungspflicht noch Klagbarkeit sind für den wiederkehrenden Charakter erforderlich (Wernsmann/Neudenberger in K/S/M, § 22 EStG Rz B 70 (Mai 2017)). Besteht ein einheitlicher Beschluss zur Erbringung wiederkehrender Leistungen, führt bereits der erste Bezug beim StPfl zu Einkünften iSd § 22 Nr 1 EStG, selbst wenn es, zB aufgrund des Todes des Verpflichteten oder Berechtigten oder der Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten, bei einem einmaligen Leistungsbezug bleibt (Killat in H/H/R, § 22 Rz 108 (September 2016); Stöcker in Bordewin/Brandt, § 22 EStG Rz 73 (Mai 2013)).
Bezüge, die sich zwar wiederholen, bei denen aber die einzelne Leistung von einer jeweils neuen Entschlussfassung oder Vereinbarung abhängig ist, sind keine wiederkehrenden Bezüge. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn die jährlich zu verteilenden Überschüsse einer Familienstiftung jeweils durch den Stiftungsvorstand beschlossen werden. Ein einheitlicher Entschluss lässt sich insoweit dem Stifterwillen entnehmen (BFH BStBl II 1988, 344).
Rn. 36
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Einmalige Bezüge genügen diesen Anforderungen nicht und sind deshalb nicht den wiederkehrenden Bezügen iSd § 22 Nr 1 EStG zuzurechnen; unter Umständen können einmalige Bezüge aber als "andere Leistungen" iSd § 22 Nr 1 S 3 Buchst a EStG der Besteuerung unterliegen (s Rn 97 u 104).
Auch eine Verrentung ansonsten nicht steuerbarer einmaliger Bezüge führt entgegen früherer Rspr nicht zur Steuerbarkeit der Leistungen. Der Privatsphäre zuzurechnende Schadensersatzleistungen beispielsweise sind grds sowohl als Einmalbetrag als auch in Form einer verrenteten Auszahlung nicht steuerbar. Eine Besteuerung allein aufgrund "der äußeren Form der Wiederkehr" wird von der Rspr abgelehnt (BFH BStBl II 2009, 651; 1995, 121; 1995, 410; vgl auch BMF v 15.07.2009, BStBl I 2009, 836).
Mit derselben Begründung wird auch die Steuerbarkeit von Entgelten für den Verzicht auf künftige Erb- und Pflichtteilsrechte verneint. Diese werden nicht dadurch zu steuerbaren wiederkehrenden Bezügen iSd § 22 Nr 1 EStG, dass sie zeitlich gestreckt in Form von Rentenzahlungen erbracht werden (BFH BStBl II 2010, 818; 2000, 82; BFH/NV 2010, 1793; 2002, 1575). Zur Steuerbarkeit von Schadensersatzleistungen s Rn 83.
Rn. 37
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Private Vermögensumschichtungen sind grds ebenfalls nicht nach § 22 Nr 1 o 3 EStG steuerbar. Auch insoweit vermag die Tatsache, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in Form wiederkehrender Zahlungen zu erbringen ist, deren Steuerbarkeit nicht zu begründen (BFH BStBl II 2000, 188; 1993, 298). Als nicht steuerbare Vermögensumschichtungen idS kommen ferner Kaufpreis- und Darlehensraten ...