Rn. 46
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
§ 22 Nr 1 S 2 Hs 1 EStG stellt sicher, dass bestimmte Bezüge (vor allem Unterhaltsrenten) beim Empfänger nicht zu versteuern sind, wenn die Gewährung der Leistung beim Geber nicht steuermindernd zu berücksichtigen ist (s Rn 47). Von diesem Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit sieht § 22 Nr 1 S 2 EStG zwei Ausnahmen vor, nämlich für wiederkehrende Bezüge, die von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse außerhalb der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke gewährt werden (s Rn 52f) sowie für Bezüge, die von Stiftungen gewährt werden, die an die Stelle von Familienfideikommissen getreten sind (s Rn 54).
1. Grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit von Unterhaltsrenten ua
Rn. 47
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§ 22 Nr 1 S 2 EStG spricht davon, dass die Bezüge nicht dem Empfänger zugerechnet werden, wenn sie
- freiwillig oder
- aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder
- einer gesetzlich unterhaltspflichtigen Person
gewährt werden.
Die Norm gilt grds für alle wiederkehrenden Bezüge iSd § 22 Nr 1 S 1 EStG, also auch für Leibrenten und andere Leistungen iSd § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG, nicht jedoch für Leistungen gemäß § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst aa EStG, da es sich bei Leistungen iRd sog Basisversorgung nicht um freiwillige, aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder unterhaltsberechtigten Person gewährten Zuwendungen handelt (Killat in H/H/R, § 22 EStG Rz 225 (September 2016)).
Die Regelung steht in engem sachlichem Zusammenhang zu § 12 Nr 1 S 1 EStG (nicht abziehbare Unterhaltszahlungen an Familienangehörige, dazu s § 12 Rn 54ff (Wienbergen)), § 12 Nr 2 EStG (nicht abziehbare freiwillige Zuwendungen usw, dazu s § 12 Rn 165 (Wienbergen)) sowie § 10 Nr 1 KStG. Korrespondierend zu der in diesen Vorschriften geregelten Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen beim Leistenden bestimmt § 22 Nr 1 S 2 Hs 1 EStG die Nichtsteuerbarkeit der entsprechenden Bezüge (Zuwendungen) beim Empfänger. Der Grund für die Einschränkung der Besteuerung liegt darin, dass eine doppelte steuerliche Belastung vermieden werden soll, die dadurch eintreten kann, dass die im Allgemeinen aus versteuertem Einkommen entrichteten Zuwendungen beim Geber nicht abzugsfähig sind und beim Empfänger dennoch voll besteuert werden (vgl BFH BStBl II 1979, 133).
Rn. 48
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Aus dem Zusammenhang mit § 12 Nr 2 EStG ergibt sich ferner, dass Bezüge gemäß § 22 Nr 1 S 2 EStG nur dann nicht steuerbar sind, wenn sie dem Empfänger unentgeltlich zufließen. Dies kann nach Ansicht der Rspr trotz Gegenleistung noch angenommen werden, wenn der Unterhaltscharakter der Bezüge offensichtlich überwiegt, und ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Wert der Gegenleistung bei überschlägiger und großzügiger Berechnung weniger als die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung beträgt bzw der Barwert der wiederkehrenden Leistungen mehr als doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. In einem solchen Fall ist insgesamt von einer nicht abziehbaren und nicht steuerbaren Zuwendung iSd §§ 12 Nr 2 und 22 Nr 1 S 2 EStG auszugehen (vgl BFH BStBl II 1992, 78; offen gelassen in GrS BFH BStBl II 2004, 100; ebenso BMF v 11.03.2010, BStBl I 2010, 227 Rz 66).
Rn. 49
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Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, sind diese den nach § 22 Nr 1 S 2 Hs 1 EStG nicht steuerbaren Unterhaltsrenten zuzurechnen. Nach Auffassung des BFH enthalten die Unterhaltszahlungen auch keinen nach § 20 Abs 1 Nr 7 EStG steuerbaren Zinsanteil, weil es sich in solchen Fällen um unentgeltliche erbrechtliche Vorgänge handele und die Eltern keinen Vermögenswert zur Nutzung erhielten, den sie nicht bereits gehabt hätten. Hinzu komme, dass die wiederkehrenden Zahlungen nicht als Verrentung eines in einer Summe bezifferbaren Anspruchs zu beurteilen seien (BFH BStBl II 2010, 818; BFH/NV 2010, 1793). Diese Auffassung ist vertretbar, weil der Pflichtteilsanspruch in solchen Fällen im Zeitpunkt des Verzichts noch nicht entstanden ist, sich nicht gegen die Eltern, sondern gegen die späteren Erben richtet und das Kind durch seinen Verzicht damit nichts überlässt, was unmittelbar Gegenstand eines Austauschvertrags mit den Eltern sein könnte.
In einem Fall, in dem in einem Übergabevertrag iR einer vorweggenommenen Erbfolge ein Betrieb usw vom Vater auf den Sohn übertragen worden war, der Sohn und seine Schwester auf ihre jeweiligen Pflichtteilsansprüche verzichtet hatten und der Sohn ab dem späteren Tod des Vaters an seine Schwester eine am Wert des übertragenen Vermögens orientierte monatliche Rente bezahlte, beurteilte das FG Mchn die Rentenzahlungen ebenfalls als grds nicht steuerbare Unterhaltsleistungen, unterwarf aber einen Zinsanteil iHd Ertragsanteils nach § 22 Nr 1 S 3 Buchst a S 3 EStG aF der Besteuerung (BFH BStBl II 2014, 56).
Rn. 50
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Nicht unter die Vorschrift des § 22 Nr 1 Hs 1 EStG fallen allerdings Unterhaltsleistungen zwischen