Rn. 206
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Gemäß § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb S 5 EStG wird die Ermittlung des Ertrags aus Leibrenten, die vor dem 01.01.1955 zu laufen begonnen haben, und aus Renten, deren Dauer von der Lebenszeit mehrerer Personen oder einer anderen Person als des Rentenberechtigten abhängt, sowie aus Leibrenten, die auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind, durch eine Rechtsverordnung bestimmt. Näheres ergibt sich aus § 55 EStDV.
Ist die Leibrente des Bezugsberechtigten zB von der Lebenszeit mehrerer Personen abhängig, regelt § 55 Abs 1 Nr 3 EStDV, auf wessen vollendetes Lebensjahr bei Beginn der Rente abzustellen ist. Ist im Leibrentenvertrag geregelt, dass das Rentenrecht mit dem Tod des zuerst Sterbenden erlöschen soll, ist danach auf das vollendete Lebensjahr der ältesten Person abzustellen. Ist dagegen geregelt, dass das Rentenrecht mit dem Tod des zuletzt Sterbenden erlöschen soll, ist auf das vollendete Lebensjahr der jüngsten Person abzustellen (vgl hierzu BFH BStBl II 1998, 339). Entsprechendes gilt für die Fälle des § 55 Abs 1 Nr 1 EStDV.
Beispiel 1:
Die Eheleute A erhalten seit 01.05.2006 eine private Leibrente von jährlich 24 000 EUR bis zum Tode des zuletzt Versterbenden. Bei Beginn der Rente ist die Frau 50, der Mann 55 Jahre alt.
In diesem Fall ist gemäß § 55 Abs 1 Nr 3 EStDV das Lebensalter der Frau für die Berechnung des Ertragsanteils zugrunde zu legen, da das Rentenrecht mit dem Tod des zuletzt Lebenden erlöschen soll. Nach der Tabelle in § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb S 4 EStG beträgt der Ertragsanteil bei einem Alter von 50 Jahren 30 % bzw 7 200 EUR.
Beispiel 2:
Wie Bsp 1: Abweichend wurde vereinbart, dass nach dem Tode des Erstversterbenden die Rente auf 15 000 EUR ermäßigt wird (Abwandlung entsprechend dem Bsp in H 22.4 EStH 2019 "Ertragsanteil einer Leibrente").
In diesem Falle ist die Rente zu splitten in einen Sockelbetrag von 15 000 EUR für den zuletzt Versterbenden und einen Rentenanteil iHv 9 000 EUR für den zuerst Versterbenden.
Für die Sockelrente ist gemäß § 55 Abs 1 Nr 3 EStDV das Lebensalter der jüngeren Ehefrau zugrunde zu legen. Der Ertragsanteil beträgt somit 30 % von 15 000 EUR. Dies sind 4 500 EUR.
Für die darüber hinaus gehende Rente (9 000 EUR) ist das Lebensalter der ältesten Person, also des Ehemannes, zugrunde zu legen, mithin ein Ertragsanteil von 26 %, was einem Betrag von 2 340 EUR entspricht.
Der steuerbare Ertragsanteil beträgt somit insgesamt 6 840 EUR.
Rn. 207
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Ermittlung des Ertragsanteils bei abgekürzten Leibrenten
Die Erträge privater abgekürzter Leibrenten, wie beispielsweise die Bezüge aus privaten Erwerbsminderungsrenten, die bis zum 65. Lebensjahr gezahlt werden, sind nach wie vor mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG iVm § 55 Abs 2 EStDV zu versteuern. Zur Anwendung des § 20 Abs 1 Nr 6 EStG s Rn 72.
Da der Ertragsanteil abgekürzter Leibrenten sowohl unter Berücksichtigung der Lebenserwartung als auch unter Berücksichtigung der zeitlichen Begrenzung zu ermitteln ist, ist der Ertragsanteil nicht der Ertragsanteilstabelle in § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb S 4 EStG, sondern gemäß § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb S 5 EStG der Sondertabelle in § 55 Abs 2 EStDV zu entnehmen. Die Ertragswerte dieser Tabelle wurden ebenso wie die Werte der Tabelle in § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG gegenüber der bis 2004 geltenden alten Tabelle deutlich gesenkt. Zuletzt war die Tabelle in § 55 Abs 2 EStDV aF entsprechend der Änderung in der Tabelle in § 22 Nr 1 S 3 Buchst a EStG aF im Jahr 1994 durch Art 2 des Gesetzes v 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250) nach oben angepasst worden.
Rn. 208
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Der Tabelle in § 55 Abs 2 EStDV lässt sich entnehmen, dass sich der Ertragsanteil grds nach der beschränkten Laufzeit der Rente in Jahren ab Beginn des Rentenbezugs (ab 01.01.1955, falls die Rente vor diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen hat) richtet. Falls jedoch der Prozentsatz nach der Ertragsanteilstabelle in § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG niedriger ist, ist dieser Wert anzusetzen. Wann das der Fall ist, ergibt sich aus der Spalte 3 der Tabelle.
Beispiel:
A gewährt dem B eine auf 12 Jahre begrenzte Leibrente. Bei Rentenbeginn ist B 65 Jahre alt.
In diesem Fall richtet sich der Ertragsanteil nach der Höchstlaufzeit bzw der Tabelle in § 55 Abs 2 EStDV, Spalte 1 und 2. Gemäß der 12-jährigen Laufzeit beträgt er 14 %.
Falls B bei Beginn des Rentenbezugs bereits 72 Jahre alt gewesen wäre, würde sich der Ertragsanteil gemäß der Tabelle in § 55 Abs 2 EStDV Spalte 3 nach der Tabelle in § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb S 4 EStG richten und betrüge somit lediglich 13 %.
Bemisst sich die beschränkte Laufzeit einer abgekürzten Leibrente nicht auf volle Jahre, ist die Laufzeit aus Vereinfachungsgründen auf volle Jahre abzurunden (R 22.4 Abs 4 EStR 2012).
Rn. 209
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Soweit den privaten abgekürzten Leibrenten ein Versicherungsverhältnis iSd § ...