a) Erbfall
Rn. 130
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Von § 23 EStG werden unentgeltliche Übertragungsakte nicht erfasst. Erbschaft, Vermächtnis und Schenkung schließen mangels Entgeltlichkeit eine Anschaffung bzw Veräußerung grundsätzlich aus. Unentgeltlich ist auch die Aufhebung von Miteigentum in Gestalt der Realteilung, insb handelt es sich hierbei um keinen Tauschvorgang (BFH vom 05.07.1990, GrS 2/89, BStBl II 1990, 837).
Rn. 131
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Der Erwerb durch Erbschaft ist daher keine Anschaffung auf Seiten des Erben. Gleichwohl liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn der Erbe ein noch durch den Erblasser angeschafftes WG innerhalb der maßgeblichen Behaltefrist veräußert (BFH vom 18.09.1964, BStBl III 1964, 647). Für den Erben gilt der Zeitpunkt der Anschaffung durch den Erblasser.
Rn. 132
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Nach st Rspr wirkt die vom Erblasser getätigte Anschaffung auch im Hinblick auf den Erben, weil dieser – aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge – einkommensteuerrechtlich in die Position des Erblassers eintritt und deshalb wie dieser zu behandeln ist (BFH vom 18.09.1964, BStBl III 1964, 647; BFH vom 21.03.1969, BStBl II 1969, 520).
Die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge des § 1922 BGB ist auch auf das ESt-Recht (öffentliches Recht) anzuwenden, mit der Folge, dass der Erbe in jeder Hinsicht in die ertragsteuerliche Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Hierdurch kann auch die Veräußerung eines ererbten Grundstücks innerhalb von zehn Jahren seit Anschaffung durch den Erblasser zu einem steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäft führen. Der Tatbestand des § 23 EStG verlangt gerade keine personelle Identität zwischen Erwerber und Veräußerer. Da die Vorschrift auch keine Spekulationsabsicht voraussetzt, ergeben sich keine Bedenken im Hinblick auf fehlende subjektive Erwerbsabsichten.
Rn. 133
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Soweit Verbindlichkeiten des Verstorbenen vorhanden sind, führen diese sog Erblasserschulden (§ 1967 Abs 2 BGB Alt 1) zu keinen AK des Erben.
Ebenso stellt die Erfüllung von Pflichtteilsrechten (§§ 2303ff BGB), Erbersatzansprüchen und Vermächtnissen (§ 2174 BGB) kein Entgelt dar (BMF vom 14.03.2006, BStBl I 2006, 253 Rz 60; BFH vom 17.10.1991, BStBl II 1992, 392).
Rn. 134
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Der Erwerb eines Gegenstands im Rahmen eines Vermächtnisses stellt beim Vermächtnisnehmer grundsätzlich einen unentgeltlichen Vorgang dar und führt nicht zu einer Anschaffung. Muss der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstands allerdings eine Gegenleistung erbringen oder Verbindlichkeiten mit übernehmen, liegt insoweit ein Entgelt vor.
Gleicht die Gegenleistung bzw die übernommene Verbindlichkeit den Wert des vermachten Gegenstandes nicht aus, handelt es sich um einen teilentgeltlichen Vorgang. Sofern die Gegenleistung bzw die übernommene Verbindlichkeit den Wert des vermachten Gegenstandes in vollem Umfang ausgleicht, liegt ein voll entgeltliches Anschaffungsgeschäft vor (BFH vom 29.06.2011, BStBl II 2011, 873). Gleiches gilt, wenn der Vermächtnisnehmer mit einem Untervermächtnis beschwert ist. Auch insoweit handelt es sich um eine Gegenleistung für die Übertragung der Immobilie, die zu einem (teil-)entgeltlichen Vorgang führen kann (vgl BFH vom 13.11.2002 ZEV 2003, 255; kritisch zur Entgeltlichkeit bei Übernahme von Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Vermächtnissen Stein, ZEV 2021, 12).
b) Vorweggenommene Erbfolge und Schenkungen
Rn. 135
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Der BFH hat die vorweggenommene Erbfolge in Anlehnung an das Zivilrecht als Singularsukzession begriffen, die sich im Vorgang der unentgeltlichen Übertragung des WG erschöpft (BFH vom 09.07.1985, BStBl II 1985, 722). Damit wird die vorweggenommene Erbfolge als Sonderfall der Schenkung betrachtet.
Eine (Teil-)Entgeltlichkeit liegt vor, soweit die Schenkung mit Auflagen verbunden ist, die über die Einbringung von Sachleistungen oder die Einräumung von Nutzungsrechten aus dem übernommenen Vermögen hinausgehen.
Sog Gleichstellungsgelder an Dritte und – anders als bei Schuldübernahmen iRd Erbauseinandersetzung – auch übernommene Verbindlichkeiten führen zu AK des Übernehmers und einem Veräußerungsentgelt des Übergebers, das an die Stelle des übertragenen Vermögens tritt und in der Forderung auf Gewährung der Ausgleichszahlungen an den begünstigten Dritten besteht.
Rn. 136
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Die Anschaffung zu einem besonders niedrigen Kaufpreis ist, jedenfalls bei Verträgen unter fremden Dritten, nur dann eine teilentgeltliche Übertragung, wenn sich die Beteiligten hinsichtlich des Mehrwerts über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig waren. Ansonsten, dh, wenn die Beteiligten subjektiv von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ausgehen, ist grundsätzlich ein vollentgeltlicher Erwerbsvorgang anzunehmen.
Beim Verkauf unter Abkömmlingen besteht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Übertragung aus familiären Gründen, nicht aber im Wege eines Veräußerungsgeschäfts unter kaufmännischer Abwägung von Leistung und Gegenleistung erfolgt....