A. Allgemeines
Rn. 103
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
§ 24 Nr 3 EStG grenzt die dort aufgeführten Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke sowie Zinsen auf solche Nutzungsvergütungen und auf Entschädigungen, die mit der Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke zusammenhängen, von den übrigen Einkünften ab, um den Kreis der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs 2 Nr 3 EStG zu bestimmen. Der Gesetzgeber wollte durch die Einführung dieser Norm durch das StÄndG 1965 als Reaktion auf Rspr des BFH den als unbillig empfundenen Ausschluss von der ermäßigten Besteuerung beseitigen (s Rn 4).
Die StPfl von Nutzungsvergütungen oder Zinsen wird durch § 24 Nr 3 EStG nicht erweitert, sondern vorausgesetzt (FG BBg vom 02.07.2014, 3 K 3338/10, EFG 2014, 1674). Sie müssen somit aus der Verwirklichung einer stpfl Einkünfteerzielung stammen. Dies setzt nicht voraus, dass der StPfl die Einnahmen freiwillig erzielt. Auch durch die erzwungene Inanspruchnahme von Grundstücken können Einkünfte aus VuV (§ 21 Abs 1 Nr 1 EStG) oder entsprechende Gewinneinkünfte erzielt werden (§ 21 Abs 3 EStG). Denkbar ist auch, dass die Nutzungsvergütungen als Einkünfte aus Leistungen iSv § 22 Nr 3 EStG einzuordnen sind (FG Münster vom 27.10.2008, 6 K 4721/04 E, EFG 2009, 577 zu Entschädigungen für naturschutzrechtliche Nutzungsbeschränkungen eines Grundstücks). Zinseinkünfte auf Nutzungsvergütungen oder Entschädigungen können als Einkünfte aus KapVerm oder als Gewinneinkünfte steuerbar sein (§ 20 Abs 1 Nr 7, § 20 Abs 8 EStG).
Nicht steuerbare Entschädigungen fallen nicht unter § 24 Nr 3 EStG, und zwar selbst dann nicht, wenn sie in Anlehnung an erzielbare stpfl Einkünfte, etwa einen fiktiven Erbbauzins, errechnet werden (BFH vom 12.09.1985, VIII 306/81, BStBl II 1986, 252; BFH vom 07.07.1987, IX 116/82, BFH/NV 1988, 433 jeweils zu faktischen Bausperren).
B. Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke
Rn. 104
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
§ 24 Nr 3 EStG setzt voraus, dass Grundstücke für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen worden sind. Der Begriff der Inanspruchnahme legt nahe, dass nicht jeder Erwerb oder jede Nutzung eines Grundstückes für öffentliche Zwecke darunter fällt. Vielmehr ist erforderlich, dass sich ein Träger öffentlicher Gewalt das Grundstück unter Einsatz oder Androhung von Hoheitsmitteln beschafft (BFH vom 28.04.1998, VIII R 22/95, BStBl II 1998, 560).
Die Überlassung muss nicht hoheitlich – etwa durch eine förmliche Enteignung – erzwungen worden sein, sondern es reicht aus, wenn sie unter einem hoheitlichen Druck zustande gekommen ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Grundstückseigentümer zur Abwendung eines Enteignungsverfahrens einem freihändigen Erwerb des Grundstücks durch die öffentliche Hand zustimmt.
Eine Inanspruchnahme liegt hingegen nicht vor, wenn ein Grundstückseigentümer seine Immobilie als gleichberechtigter Vertragspartner frei von jedem Zwang an einen Hoheitsträger veräußert. Gleiches gilt, wenn die öffentliche Hand ohne Inanspruchnahme von Sonderrechten wie ein privater Dritter ein Grundstück im Rahmen einer Zwangs- oder Teilungsversteigerung erwirbt (BFH vom 28.04.1998, VIII R 22/95, BStBl II 1998, 560).
Rn. 105
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Das Grundstück muss für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen werden. Dies kann durch Enteignung, Erwerb, Nutzungsüberlassungen oder sonstige rechtliche und tatsächliche Beschränkungen erfolgen, die eine Beeinträchtigung des Eigentumsgrundrechts (Art 14 Abs 1 GG) des StPfl bewirken. Rechtsgrundlagen für die Inanspruchnahme von Grundstücken ergeben sich aus den Enteignungsgesetzen der Länder und aus zahlreichem Fachrecht, etwa dem Baurecht (zB Veränderungssperren, § 14 BauGB), dem Straßen- und Wegerecht, dem Naturschutzrecht oder dem Wasserrecht. Auch faktische, enteignungsgleiche und damit ausgleichspflichtige Grundstückseingriffe können vorliegen (BFH vom 21.01.1992, VIII R 51/88, BStBl II 1993, 3 betreffend Lärmbelästigung durch einen öffentlichen Flughafen: Besteuerung der Zinsen für eine Entschädigung).
Wenn eine hoheitliche Inanspruchnahme eines Grundstücks vorliegt, ist damit im Regelfall ein öffentlicher Zweck verbunden. Einen solchen setzten die Ermächtigungsgrundlagen für Enteignungen oder Nutzungsbeschränkungen grds voraus.
C. Nutzungsvergütungen oder Zinsen
1. Nutzungsvergütungen
Rn. 106
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Nutzungsvergütungen iSv § 24 Nr 3 EStG sind Gegenleistungen für eine vorübergehende Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks. Sie fallen damit unter § 21 Abs 1 Nr 1 EStG, auch wenn es sich um eine unfreiwillige Überlassung handelt. Bei Grundstücken, die sich in einem BV befinden, ist über § 21 Abs 3 EStG die jeweils einschlägige Einkunftsart anzuwenden.
Entschädigungen, die einen dauerhaften Substanz-, Wert- oder Rechtsverlust ausgleichen, sind dagegen keine Nutzungsvergütungen, sondern wirtschaftlich betrachtet Veräußerungsgeschäfte (Füssenich in K/S/M, § 24 EStG Rz D 6 (März 2022); s auch BFH vom 12.09.1985, VIII R 306, 81, BStBl II 1986, 252). Deshalb stellen Entschädigungen für Enteignungen durch Gesetz oder Hoheitsakt bzw ente...