1. Unbeachtlichkeit der aufgelösten Ehe
Rn. 50
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Eine im VZ aufgelöste Ehe – durch Scheidung, Feststellung der Nichtigkeit oder Aufhebung – bleibt für die Anwendung des § 26 Abs 1 S 1 EStG unberücksichtigt, wenn einer der vormaligen Ehegatten im selben VZ wieder geheiratet hat und mit seinem neuen Ehegatten ebenfalls die Voraussetzungen für die Ausübung des Veranlagungswahlrechts nach § 26 Abs 1 S 1 EStG erfüllt, § 26 Abs 1 S 2 EStG.
Nach dieser Regelung wird also das Konkurrenzverhältnis, wenn mehrere Ehen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs 1 S 1 EStG erfüllen, zugunsten der letzten Ehe gelöst.
Ab VZ 2013 gilt die Regelung des § 26 Abs 1 S 2 EStG weiterhin. Durch das StVereinfG 2011 v 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131 wurde diese Vorschrift nur sprachlich überarbeitet. Bei Auflösung der Ehe und erneuter Eheschließung innerhalb eines VZ soll der nicht wiederverheiratete Ehepartner einer geschiedenen Ehe einzeln veranlagt und unter den Voraussetzungen des § 32a Abs 6 S 1 Nr 2 EStG nach dem Splittingtarif besteuert werden. Heiraten beide Ehegatten einer geschiedenen Ehe im VZ der Scheidung erneut, steht das Wahlrecht beiden neuen Ehen zu (vgl Kanzler, NWB 2011, 535).
Rn. 51
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Beispiel 1:
Bei Ehemann A und Ehefrau B haben am 01.01. des VZ alle Voraussetzungen für die Ehegattenbesteuerung vorgelegen. Am 28.02. wurde die Ehe geschieden, am 01.04. heiratet A erneut. Auch mit seiner zweiten Ehefrau C erfüllt er die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 S 1 EStG. Die Ehe mit C wird am 01.08. wieder aufgehoben, §§ 28ff EheG. Am 01.12. heiratet A ein drittes Mal, auch von Ehefrau D lebt er nicht dauernd getrennt.
Für die Einkommensbesteuerung des A sind seine erste und zweite Ehe mit B und C unberücksichtigt zu lassen. Nur A und D können zwischen Zusammenveranlagung und Einzelveranlagung wählen. Für B und C sind jeweils Einzelveranlagungen nach § 25 EStG (vgl auch § 46 Abs 2 Nr 6 EStG) durchzuführen, allerdings unter Anwendung des Splittingverfahrens nach § 32a Abs 6 Nr 2 EStG, s § 32a Rn 45–49 (Nacke).
Rn. 52
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Beispiel 2:
Wie Bsp 1 (s Rn 51), aber bei der Ehe mit D liegen die Voraussetzungen für die Ehegattenbesteuerung nach § 26 Abs 1 S 1 EStG nicht vor.
Haben bei der letzten Ehe die Voraussetzungen für die Ehegattenbesteuerung nach § 26 Abs 1 S 1 EStG nicht vorgelegen, so steht das Veranlagungswahlrecht den Ehegatten der aufgelösten vorausgegangenen Ehe zu. Ist daher im vorstehenden Bsp D nicht unbeschränkt stpfl, können A und C zwischen den für Ehegatten vorgeschriebenen Veranlagungsarten wählen. Hat im Beispielsfall C ihrerseits wieder geheiratet und erfüllt mit Ehemann E die Voraussetzungen für das Veranlagungswahlrecht nach § 26 Abs 1 S 1 EStG, scheidet diese Ehe für eine Ehegattenbesteuerung des A aus. Für ihn bleibt dann die Möglichkeit der Ehegattenveranlagung mit der geschiedenen B.
Wäre der Ehe zwischen A und C keine weitere Ehe des A vorausgegangen, so wäre für A eine Einzelveranlagung nach § 46 Abs 2 Nr 6 EStG mit Steuerberechnung nach dem Splittingtarif durchzuführen, § 32a Abs 6 Nr 2 EStG.
2. Verfassungsmäßigkeit
Rn. 53
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Nach § 26 Abs 1 S 2 EStG hat der wiederverheiratete Ehegatte kein Wahlrecht, auf welche Ehe er die §§ 26ff EStG anwenden möchte. Dies führt zu Nachteilen, wenn der erste Ehepartner keine oder nur geringe Einkünfte, der zweite Ehepartner aber hohe eigene Einkünfte hatte. Der Splittingvorteil geht bei einer solchen Einkünftesituation (weitgehend) verloren.
Der Ausschluss des Ehegattenwahlrechts für die erste Ehe ist aber verfassungskonform, BVerfG BStBl II 1988, 395. Dieser Nachteil kann vermieden werden, wenn die zweite Ehe im nachfolgenden VZ geschlossen wird.
3. Ausnahme: Auflösung durch Tod (§ 26 Abs 1 S 3 EStG idF bis VZ 2012)
Rn. 54
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
§ 26 Abs 1 S 3 EStG idF bis VZ 2012 wurde durch das StÄndG 1992, BStBl I 1992, 297 ab dem VZ 1992 eingefügt und betrifft den Fall, dass die Ehe durch Tod aufgelöst wird und die Ehegatten der neuen Ehe die besondere Veranlagung nach § 26c EStG aF wählen. Der verwitwete Ehegatte hat, da § 26 Abs 1 S 2 EStG nicht gilt, das Wahlrecht, die Zusammenveranlagung bzgl der ersten oder der zweiten Ehe durchzuführen. Die Zusammenveranlagung der ersten Ehe ist dann von Vorteil, wenn die Ehegatten der zweiten Ehe ca gleich hohe Einkünfte haben und der verstorbene Ehegatte nur geringe. Zur Zustimmung der Erben, s Rn 80.
Für die VZ 1986–1991 war dem verwitweten Ehegatten, der im VZ der Eheauflösung wieder heirate und die besondere Veranlagung wählte, das Splittingverfahren versagt, während ihm bei Wiederheirat im nachfolgenden VZ das Verwitweten-Splitting des § 32a Abs 6 S 1 Nr 1 EStG zugestanden hätte, vgl BFH BStBl II 1975, 639. § 26 Abs 1 S 3 EStG idF bis VZ 2012 dient der Vermeidung dieser unbilligen Härte, BT-Drucks 12/1108, 59.
Ab VZ 2013 wurde § 26 Abs 1 S 3 EStG aF aufgehoben und an die reduzierten Wahlmöglichkeiten für Ehegatten im Hinblick des Wegfalls der besonderen Veranlagung nach § 26c EStG aF bei durch Tod aufgelöster Ehe angepasst. § 26 Abs 1 S 3 EStG aF sah eine einheitlich...