Dr. Peter Handzik, Edgar Stickan
daa) Kein Übersteigen der für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrags (§ 3 Nr 44 S 3 Buchst a EStG Voraussetzung 1)
Rn. 1645
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Die Stipendien dürfen nicht einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts (vgl § 1610 BGB) und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag übersteigen. Daraus folgt, dass somit auch die zur Bestreitung des Lebensunterhalts dienenden Zuwendungen davon erfasst sind (BFH BStBl II 2004, 190; 2015, 691; BFH vom 29.09.2022, VI R 34/20, BStBl II 2023, 142).
Die erforderlichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt sind dabei nach der "allgemeinen Verkehrsauffassung" zu bestimmen (BFH BStBl II 2015, 691; FG München vom 23.03.2021, 12 K 1085/20, DStRE 2022, 389, Rev, Az des BFH X R 18/21, DStRE 2022, 389 als unzulässig verworfen, Beschluss des BFH vom 11.04.2022, X R 18/21, nv). Es sind die für den laufenden Lebensunterhalt unentbehrlichen Aufwendungen für Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Ausbildung, Gesundheit, angemessene Freizeitgestaltung ua notwendige Ausgaben dieser Art (BFH BStBl II 2015, 691; FG München vom 23.03.2021, 12 K 1085/20, DStRE 2022, 389, Rev, Az des BFH X R 18/21, DStRE 2022, 389 als unzulässig verworfen, Beschluss des BFH vom 11.04.2022, X R 18/21, nv).
Ein Stipendium iHv USD 35 000 überschreitet diese Grenze nicht (BFH BStBl II 2011, 637, offengelassen von FG RP 3 K 2197/11, DStRE 2016, 712 rkr für EUR 30 000 Gesamtbetrag), auch nicht ein Stipendium iHv DM 22 900 pa (BFH BStBl II 2004, 190). BFH BStBl II 2016, 691 billigt zutreffend den Ansatz des FG, die BaFöG-Höchstsätze (war im Streitjahr 2009 bei nicht bei den Eltern lebenden Studenten EUR 643) nicht als Höchstsätze anzusehen und erkannte ein Stipendium iHv EUR 2 700 pM in vollem Umfang als steuerfrei an.
FG München vom 23.03.2021, 12 K 1085/20, DStRE 2022, 389 (Rev, Az des BFH X R 18/21, DStRE 2022, 389 als unzulässig verworfen, Beschluss des BFH vom 11.04.2022, X R 18/21, nv) sieht EUR 65 533 im Jahr 2016 für einen 30-jährigen promovierten Physiker (!) als zu hoch an, mE kleinlich. Werden zu hohe Stipendienleistungen gewährt, ist nicht nur der überschießende, sondern der ganze Betrag stpfl (FG München vom 23.03.2021, aaO).
dab) Vergabe der Stipendien nach den vom Geber erlassenen Richtlinien (§ 3 Nr 44 S 3 Buchst b EStG Voraussetzung 2)
Rn. 1645a
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Ferner müssen sie nach den vom Stipendiengeber (§ 3 Nr 44 S 1, 2 EStG) erlassenen Richtlinien vergeben werden, also nicht willkürlich (BFH vom 29.09.2022, VI R 34/20, BStBl II 2023, 142). Der Gesetzgeber wollte dadurch eine möglichst weitgehende Bindung der vergebenden Stelle an die Richtlinien des Gebers erreichen (BFH BFH/NV 2013, 29 unter Bezugnahme auf BT-Drucks 4/2400, 62).
Wie diese Richtlinien zu gestalten sind, ist nicht gesetzlich geregelt, sie müssen aber vorliegen und angewandt werden, damit eine vom Einzelfall losgelöste einheitliche Vergabepraxis erreicht werden kann (FG RP 3 K 2197/11, DStRE 2016, 712 rkr).
Ein Verstoß gegen die Vergaberichtlinien führt automatisch zum Verlust der Steuerfreiheit (FG RP 3 K 2197/11, DStRE 2016, 712 rkr), genauso, wenn gar keine Richtlinien existieren (FG RP 3 K 2197/11, DStRE 2016, 712 rkr).
dac) Sonstiges
Rn. 1645b
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Beide Voraussetzungen gelten (aufgrund der systematischen Stellung des S 3 hinter den S 1 und 2) für alle in § 3 Nr 44 S 1 und 2 EStG genannten Arten von Stipendien. Ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind (hier sollte großzügig verfahren werden), muss das für die Veranlagung des Stipendiengebers zur KSt tatsächlich oder im Falle einer StPfl fiktiv zuständige FA prüfen (R 3.44 S 1 EStR 2012). Auf Anforderung des Stipendienempfängers hat das für den Stipendiengeber oder das für den Stipendiaten zuständige FA eine Bescheinigung (kein Grundlagenbescheid iSd § 171 Abs 10 AO) darüber auszustellen, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr 44 S 3 Buchst a EStG erfüllt sind (R 3.44 S 2 EStR 2012).