Dr. Peter Handzik, Edgar Stickan
ia) Ziel und Zweck von Venture Capital-Fonds/Private Equity-Fonds
Rn. 1517
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
In sog Venture Capital-Fonds und Private Equity-Fonds (zu Letzteren s Figna/von Goldacker/Mayta, DB 2005, 968) schließen sich Kapitalanleger insbesondere zu folgenden Zwecken zusammen (vgl Tz 1 des BMF vom 16.12.2003, BStBl I 2003, 40):
- Finanzierung junger Unternehmen
- Finanzierung des Wachstums mittelständischer Unternehmen
- Finanzierung der Ausgliederung von Unternehmensteilen
- Finanzierung der Unternehmensnachfolge.
Rn. 1517a
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Dabei dient der Fonds als Mittler zwischen den Kapitalanlegern einerseits und den zu finanzierenden Unternehmen (Portfolio-Gesellschaften) andererseits. Von den Fonds werden EK und EK-ähnliche Beteiligungen an den Portfolio-Gesellschaften erworben. Nach Erreichen des durch die Finanzierung beabsichtigten Ziels (zB Umwandlung der Portfolio-Gesellschaften in AG und die Platzierung der Unternehmen an der Börse) werden die Anteile an den Gesellschaften – kurspflegend – veräußert.
Ausführlich zu den besonderen Leistungsvergütungen bei Wagniskapital-Gesellschaften s § 18 Rn 360ff (Güroff).
ib) Rechtliche Ausgestaltung der Fonds
Rn. 1517b
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Die Venture Capital- und Private Equity-Fonds werden idR als PersGes (insbesondere GmbH & Co KG, s Figna/von Goldacker/Mayta, DB 2005, 968) gegründet, wobei die Komplementär-GmbH meist nicht am Vermögen der KG beteiligt ist (wie bei der klassischen Komplementär-GmbH auch sonst üblich); die Anleger (Inländer, Ausländer, private, institutionelle) haben die Stellung von Kommanditisten und bringen neben ihrem Kapital idR auch immaterielle Beiträge (Erfahrungen, Kontakte, Netzwerke) mit ein (Tz 2 des BMF vom 16.12.2003, BStBl I 2004, 40; Figna/von Goldacker/Mayta, DB 2005, 968).
ic) Geschäftsführungsaufgaben beim Fonds
Rn. 1517c
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Die laufende Geschäftsführung übt idR die Komplementär-GmbH oder eine Managementgesellschaft als Kommanditist mit Geschäftsführungsbefugnis aus. Zur laufenden Geschäftsführung gehört (Tz 3 des BMF vom 16.12.2003, BStBl I 2004, 40):
- Prüfung der Beteiligungen
- Verhandlung der Beteiligungsverträge
- Überwachung der Beteiligungen
- Berichtswesen
- Kapitalabrufe
- Betreuung der Anleger.
id) Vergütung für den geschäftsführenden Gesellschafter
Rn. 1517d
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Der geschäftsführende Gesellschafter erhält dabei idR eine jährliche Haftungs- und Geschäftsführungsvergütung zwischen 1,5–2,5 % (Tz 3 des BMF vom 16.12.2003, BStBl I 2004, 40; Figna/von Goldacker/Mayta, DB 2005, 968: 2,5–5 %) des Zeichnungskapitals der Fonds. Die letztverantwortlichen Anlageentscheidungen werden von einer weiteren GmbH & Co KG (Initiator-KG) getroffen. Die Initiatoren erhalten unmittelbar oder mittelbar über die Initiator-KG neben ihrem Gewinnanteil den vorher bereits beschriebenen Carried Interest (Tz 3 des BMF vom 16.12.2003, BStBl I 2004, 40).
ie) Tätigkeit des Fonds
Rn. 1517e
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Die Tätigkeit des Fonds besteht idR im Erwerb von Beteiligungen an den zu finanzierenden Unternehmen (meist KapGes), dem Einziehen von Zinsen und Dividenden und – nach Erreichen des mit der Finanzierung beabsichtigten Zwecks – der Veräußerung der im Wert erheblich gestiegenen Beteiligungen; dabei werden die Beteiligungen durchschnittlich 3–5 Jahre gehalten, der Fonds hat im Durchschnitt eine Laufzeit von 8–12 Jahren (Tz 4 des BMF vom 16.12.2003, BStBl I 2004, 40).
if) Finanzierung der Fonds
Rn. 1517f
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Die Beteiligungen werden ausschließlich mit Eigenmitteln des Fonds – mit Ausnahme der Inanspruchnahme staatlicher Förderung – erworben; die Verwaltung der Beteiligungen erfolgt idR nur über die Ausübung von gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Rechten von Gesellschaftern; für wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen bei den Portfolio-Gesellschaften kann ein Zustimmungsvorbehalt für die Initiator-KG (analog § 111 Abs 4 S 2 AktG) bestehen; der Fonds oder die geschäftsführenden Gesellschafter streben dabei eine Vertretung in Aufsichtsräten/Beiräten der Portfolio-Gesellschaften an; die Rechte und Pflichten als Aufsichtsrat/Beirat orientieren sich am gesetzlichen Leitbild des Aufsichtsrats einer KapGes (Tz 5 des BMF vom 16.12.2003, BStBl I 2004, 40).
ig) Der Wortlaut des § 18 Abs 1 Nr 4 EStG
Rn. 1518
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§ 18 Abs 1 Nr 4 EStG betrifft nach seinem Wortlaut nur eine vermögensverwaltende Gesellschaft oder Gemeinschaft, deren Zweck im Erwerb, Halten und in der Veräußerung von Anteilen an KapGes besteht, also die vorbezeichneten Venture Capital- und Private Equity-Fonds. Andere Gesellschaften sind nicht begünstigt.
Rn. 1518a
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Daraus folgt:
- Es kommt nicht darauf an, ob die Fondsgesellschaft KapGes oder PersGes ist ("Gesellschaft oder Gemeinschaft"; glA Watrin/Struffert, BB 2004, 1888; Behrens, FR 2004, 1211).
- Es kommt nicht darauf an, dass die Gesellschaft ausdrücklich als Venture Capital- oder Private Equity-Fonds bezeichnet ist, sondern darauf, was sie tatsächlich macht.
- Der Erwerb, das Halten und das Veräußern von Anteilen an KapGes muss nicht der alleinige Zweck der Fondsgesellschaft sein (glA Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638).