1. Allgemeines
Rn. 850
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Bei einem unbeschränkt estpfl Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 S 1 EStG nicht vorliegen, wird auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kj im Wesentlichen nachkommt oder wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist, R 32.13 EStR 2012; BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845. Es handelt sich dabei um die Übertragung des Jahresbetrags, was sich im Umkehrschluss aus § 32 Abs 5 S 5 EStG ergibt, der eine Ermäßigung des Jahresbetrags nur für die Kalendermonate vorsieht, in denen die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach § 32 Abs 6 Sätze 1–4 EStG nicht vorliegen.
Dass eine Übertragung des Kinderfreibetrags auch dann möglich ist, wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist, gilt ab dem VZ 2012 infolge der Änderung des § 32 Abs 6 S 6 EStG durch das StVereinfG 2011 v 01.11.2011 (BGBl I 2011, 2131). § 32 Abs 6 S 7 EStG, der durch das StVereinfG 2011 eingefügt worden ist, schließt jedoch eine Übertragung des Kinderfreibetrags auf einen Elternteil für Zeiträume aus, in denen dieser Leistungen nach dem UnterhaltsvorschussG (UnterhVG), BGBl I 2007, 1446 erhält, ausführlich dazu s Rn 921. Ohne Bedeutung ist, ob die Eltern oder das Kind während des gesamten VZ unbeschränkt stpfl gewesen sind, R 32.13 Abs 3 S 3 EStR 2012.
Die Vorschrift des § 32 Abs 6 S 6 EStG betrifft nicht die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrags); die Voraussetzungen dafür sind in § 32 Abs 6 S 8, 9 EStG geregelt. Es handelt sich jeweils um eigenständige Tatbestände; die Übertragung des Kinderfreibetrags hatte bis zum Inkrafttreten des AbzStEntModG am 09.06.2021 nicht notwendig die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zur Folge, BFH v 22.04.2020, III R 61/18, BStBl II 2022, 43; BFH v 22.04.2020, III R 25/19, BStBl II 2022, 63, was die Verdoppelung der sog Kinderadditive bei § 33 Abs 3 EStG zur Folge hatte, Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 83 (43. Aufl 2024); Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 134 (03/2021); aA BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 5, danach sollte die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs führen.
Zur Rechtslage ab dem 09.06.2021 s Rn 64, 901.
2. Die Übertragungsvoraussetzungen
a) Antrag
Rn. 851
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Der Antrag auf Übertragung ist an das für den Antragsteller zuständige Wohnsitz-FA zu richten, eine Erklärung gegenüber der Familienkasse ist nicht bindend, Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 135 (03/2021); Wendl in H/H/R, § 32 EStG Rz 181 (05/2023). Der Antragsteller muss darlegen, dass die Voraussetzungen für die Übertragung des Kinderfreibetrags vorliegen (R 32.13 Abs 4 S 1 EStR 2012). Bestehen Zweifel am Vorliegen der Übertragungsvoraussetzungen, ist nach § 91 AO der andere Elternteil zu hören (R 32.13 Abs 4 S 5 EStR 2012). Das FA hat die Voraussetzungen für die Übertragung monatsweise zu prüfen, R 32.13 Abs 4 S 4 EStR 2012.
Rn. 852
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Die Antragstellung ist bis zum Eintritt der Bestandskraft der Veranlagung des StPfl möglich und kann in diesem Zeitraum auch zurückgenommen werden, FG BdW v 29.07.1992, 2 K 61/88, EFG 1993, 32; Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 135 (03/2021). Das Verlangen auf Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrages ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der den Antrag stellende Elternteil zwar über keine Einkünfte verfügt, über eine Zusammenveranlagung mit seinem neuen Ehegatten jedoch von den erhöhten Freibeträgen profitiert, FG Münster v 06.10.1997, 1 K 3684/97 E, EFG 1998, 98.
Rn. 853
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Die Übertragung des Kinderfreibetrags kommt nur für ein Elternpaar in Betracht, das nicht der Ehegattenveranlagung nach § 26 Abs 1 S 1 EStG unterliegt. Diese Voraussetzungen sind bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern sowie bei nicht verheirateten Eltern gegeben, nicht aber bei Ehegatten, die ab dem VZ 2013 die Einzelveranlagung (§ 26a EStG) beantragen.
Rn. 854
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Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs 6 S 6 EStG ergeben sich nicht deshalb, weil die Regelung zur Folge hat, dass bei demjenigen Elternteil, der zwar (Bar-)Unterhalt leistet, seiner Unterhaltspflicht jedoch nicht im Wesentlichen nachkommt, die tatsächlichen Unterhaltszahlungen nicht von der ESt freigestellt werden, vgl BVerfG v 13.10.2009, 2 BvL 3/05, BFH/NV 2010, 148. In diesem Fall muss sich dieser Elternteil entgegenhalten lassen, dass die sich aus der Übertragung des Kinderfreibetrags an den anderen Elternteil ergebenden finanziellen Nachteile daraus resultieren, dass er seiner Unterhaltspflicht nicht im Wesentlichen nachkommt bzw mangels Leistungsfähigkeit nicht u...